Herzlich willkommen beim diatec weekly,
wir alle kennen das Spiel und es beginnt ganz harmlos. Jeder erhält etwas Startkapital, dann wird gewürfelt und wir ziehen los. Kaufen Grundstücke, bauen Häuser und Hotels, kassieren Miete von jedem, der darauf landet. Anfangs ist das Ganze noch vergnüglich, die Bedingungen sind gleich – bis sich langsam, aber unausweichlich, der ökonomische Darwinismus durchsetzt. Einer häuft Reichtum an, die anderen straucheln über Hypotheken. Am Ende liegt die Konzentration des Kapitals in immer weniger Händen.
Kaum ein Spiel spiegelt die Mechanismen unserer Ökonomie so eindrucksvoll wider wie Monopoly. Es wurde in den 1930er Jahren populär, in einer Zeit, in der die Weltwirtschaftskrise Millionen Menschen verarmen ließ. Ursprünglich aber war das Spiel gar nicht als Lobgesang auf den Kapitalismus gedacht, sondern als Warnung. Die Erfinderin Elizabeth Magie wollte mit ihrem „Landlord’s Game“ zeigen, wie ungerecht Bodenmonopole und Spekulation sind. Doch das kapitalistische Prinzip erwies sich als stärker als die moralische Botschaft. Was als Kritik begann, wurde zum Kassenschlager.
Was hätte Marx dazu gesagt? In seinem Werk „Das Kapital“ (erschienen 1867–1894 in drei Bänden) beschrieb er detailliert, wie Reichtum in einer kapitalistischen Gesellschaft entsteht – und auf wessen Kosten. Dabei hat Marx „Das Kapital“ nicht als moralische Anklage geschrieben, sondern als eine präzise Analyse der Funktionsweise eines Systems, das auf der Verwandlung von Arbeit in Ware beruht: Menschen verkaufen ihre Arbeitskraft, Unternehmer kaufen sie und nutzen sie, um Waren herzustellen. Der entscheidende Punkt dabei: Die Arbeitskraft schafft mehr Wert, als sie selbst kostet. Diese Differenz ist der Mehrwert – und genau darin liegt die Quelle des Profits.
Die Logik dieses Systems folgt denselben Regeln wie das Spiel Monopoly. Geld wird investiert, um daraus mehr Geld zu machen; Profite werden reinvestiert, das Kapital wächst und am Ende besitzen immer weniger Kapitalisten immer mehr. Die Dynamik des Systems besteht darin, alles – von Arbeit über Wissen bis hin zur Natur – in Wert zu verwandeln.
Viele von Marx’ Gedanken klingen heute fast unheimlich aktuell. Nur dass die Beschleunigung nicht mehr über Dampfmaschinen und Fabrikschlote läuft, sondern über Rechenzentren, Plattformen und künstliche Intelligenz (KI). Das Kapital ist digital geworden, es bewegt sich in Form von Daten, Algorithmen und Aufmerksamkeitsströmen. Doch die Gesetze bleiben dieselben: investieren, verwerten, akkumulieren. Marx würde die Serverfarmen von Google oder OpenAI vielleicht als neue „Fabriken des Geistes“ bezeichnen, Orte, an denen nicht mehr Muskelkraft, sondern kognitive Energie in Wert verwandelt wird. Und er würde fragen, wem diese Produktionsmittel heute gehören: den Menschen, deren Daten und Texte die KI speisen, oder den Unternehmen, die sie kontrollieren?
Hinzu kommt ein weiteres Paradox, das Marx wohl sofort erkannt hätte: Der Kapitalismus steigert seine Effizienz und schafft zugleich seine eigene Überflüssigkeit. Je mehr Aufgaben Maschinen übernehmen, desto weniger klassische Arbeit bleibt, um Kaufkraft zu erzeugen. Die Produktivität steigt, die Verteilung aber bleibt ungleich. Der alte Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit hat damit ein digitales Gesicht bekommen.
Auch das Prinzip des Mehrwerts hat überlebt, nur ist es unsichtbarer geworden. Nutzerinnen und Nutzer erzeugen täglich Billionen Datensätze – freiwillig, spielerisch, ohne Bewusstsein dafür, Teil eines gigantischen Wertschöpfungssystems zu sein. Ihre Klicks, Likes, Bewegungsprofile und Texte bilden den Rohstoff, aus dem Plattformen und KI-Modelle lernen. Es ist Arbeit ohne Lohn, aber mit maximalem Ertrag – für andere. Und ein Prozess, der nicht zur Ruhe kommt, sondern sich ständig selbst beschleunigt.
Marx beschrieb im Kapital, wie das System auf Akkumulation beruht: Kapital sucht nach Vermehrung, unabhängig von moralischen Grenzen. Genau das erleben wir bei Monopoly in Miniaturform. Wer Geld hat, bekommt mehr. Wer keins hat, verliert zuerst seine Häuser, dann sein letztes Bahnhofsgrundstück und schließlich den Glauben an das Glück. Das Spiel endet nie durch Kooperation, sondern immer durch Bankrott und am Ende bleibt einer allein am Tisch. Vor ihm stapeln sich die bunten Scheine, doch sie bedeuten nichts mehr, weil niemand mehr da ist, der sie begehrt.
Das Endstadium des Kapitalismus ist die Entkopplung von Realwirtschaft und Lebenswelt – und das erleben wir gerade. Wenn Kapital sich in wenigen Händen konzentriert, sucht es nicht mehr nach Arbeitern, sondern nach Renditen ohne Menschen. Produktionsprozesse werden automatisiert, Finanztransaktionen laufen in Nanosekunden, Gewinne entstehen aus Algorithmen und nicht mehr aus Waren. Das Kapital hat zwar gesiegt, aber zugleich seine Welt verloren. Denn ohne Menschen, die teilen, hoffen und handeln, ist Reichtum nur noch ein stiller Kreisverkehr des Nichts.
So bleibt Monopoly ein faszinierendes Lehrstück und ein Spiel, das uns jedes Mal aufs Neue daran erinnert, dass der reale Kapitalismus kein Brettspiel ist, aber fast genauso vorhersehbar enden wird. Wir können nur hoffen, dass sich unsere Welt perspektivisch für andere Spielregeln entscheidet.
Es ist November geworden und damit Zeit für den dt-report! Der diabetes technology (dt)- report ist ein international angelegtes Forschungs- und Monitoring-Projekt zu Diabetes-Technologie, ein Real-World-Datenprojekt, das systematisch und jährlich untersucht, wie Health Care Professionals und Menschen mit Diabetes digitale Technologien tatsächlich nutzen und beurteilen – und zwar jenseits klinischer Studien und Zulassungsdaten. Nun sind die Portale für die Datenerfassung wieder geöffnet!
Hier ist der Link für alle DiabetologInnen und Diabetes-BeraterInnen
und hier der Link für alle PatientInnen mit Diabetes
Rechts oben lässt sich auf der Befragungsseite die Sprache ein- und umstellen, z.B. von Englisch auf Deutsch. Wir freuen uns, wenn ihr mitmacht, und bedanken uns im Voraus herzlich dafür.
Nun zu den Themen der Woche: Es gibt einen Gastbeitrag von Kurt Rinnert zum Diabetes und Beruf, ein wichtiges Thema, das viel zu wenig Beachtung findet. Anschließend machen wir Euch mit einer neuen Abkürzung vertraut und zum Schluss haben wir aktuelle Ergebnisse von dia·link. Auf geht’s!
Wenn man an Diabetes denkt, denkt man weniger an den Arbeitsplatz. Dabei verbringen Menschen mit Diabetes einen Großteil ihres Lebens genau dort, in Büros, Werkhallen, Laboren oder hinter dem Steuer. Wie gut sie dort zurechtkommen, hängt nicht nur von ihrer Glucosekontrolle ab, sondern auch davon, wie Arbeitswelt und Diabetologie miteinander umgehen. Und genau hier zeigt sich: Das Thema „Diabetes und Beruf“ liegt in Deutschland weitgehend im Schatten:
Diabetes und Beruf – ein unterbelichtetes Thema in Deutschland?
Ein Gastbeitrag von Kurt Rinnert
Die International Diabetes Federation (IDF) hat den diesjährigen Weltdiabetestag am 14. November 2025 unter das Motto „Diabetes and well-being at work“ gestellt. Damit rückt erstmals weltweit das Zusammenspiel von Diabetes und Arbeitswelt in den Fokus. Auch die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) wird hierzu eine Presseerklärung veröffentlichen; möglicherweise folgt eine weitere Stellungnahme von diabetesDE. Für das Frühjahr 2026 ist zudem ein Positionspapier der DDG zu diesem Thema geplant.
Beim diesjährigen Diabetes Technology Meeting (DTM) in San Francisco rückte ein neuer Parameter zur Bewertung kontinuierlicher Glukosemessungen (CGM) in den Mittelpunkt: der Glycemic Risk Index (GRI). Er soll die Vielzahl bisher etablierter Kennzahlen – von Time in Range bis GMI – um eine zusätzliche, klinisch relevante Dimension ergänzen. Im Rahmen eines internationalen Expertentreffens wurde nun diskutiert, welche Bedeutung dieser Parameter künftig in der Praxis und Forschung haben könnte – und ob er das Potenzial hat, sich als neuer Standard in der CGM-Interpretation zu etablieren:
GRI – mehr als eine weitere Abkürzung?
Während eines mehrstündigen Treffens im Vorfeld des diesjährigen Diabetes-Technologie-Meetings (DTM) in San Francisco diskutierten rund 50 Diabetologen, Wissenschaftler und sechs Industriebeobachter einen neuen Parameter, um die Messgüte von Glucosewerten aus einem CGM-System zu bewerten: Der „Glycemic Risk Index“ (GRI) wurde bereits in der Originalpublikation im Jahr 2022 [1] vorgestellt und seitdem fast 240-mal zitiert. Grundlage ist einer der weltweit größten Datensätze von CGM-Kurven, die hinsichtlich der Qualität der Glykämie bewertet wurden: 330 CGM-Experten aus sechs Kontinenten analysierten 225 Kurven von vier verschiedenen Gruppen von Insulinanwendern, um den Parameter zu entwickeln. Der GRI fasst sieben Kennzahlen eines AGP-Berichts zusammen – gewichtet nach der Einschätzung dieser Experten. Ziel ist es, Klinikerinnen und Klinikern eine Kennzahl an die Hand zu geben, die Hinweise auf möglicherweise notwendige Therapieanpassungen liefert.
Als letztes Thema stellen wir die Ergebnisse der Frage des Monats Oktober von dia·link vor. Die Frage des Monats widmet sich aktuellen politischen, versorgungs- oder behandlungsbezogenen Diabetesthemen. Wie die dia·link-Community die Frage beantwortet hat, können Sie jeweils im Folgemonat in Ihrem Newsbereich einsehen. Hier geht es zu den Ergebnissen der:
Frage des Monats Oktober
Und das war die Frage des Monats Oktober: Für Menschen mit Diabetes ist die Glucoseeinstellung ein zentrales Thema im Alltag. Dabei stehen vor allem zwei Werte im Fokus: der HbA1c-Wert, der seit Jahrzehnten als Standard für die Qualität der Einstellung gilt und als Langzeitwert dient, sowie die TIR, die durch moderne CGM-Systeme den Anteil der Zeit im Zielbereich sichtbar macht. Beide Kennzahlen liefern wichtige Informationen, spiegeln den Alltag jedoch sehr unterschiedlich wider. Während der HbA1c-Wert einen langfristigen Durchschnitt darstellt, zeigt die TIR-Kennzahl unmittelbar, wie gut es gelingt, Schwankungen im Tagesverlauf zu vermeiden.
Das Bild der Woche

Fading away! So wie sich das Kapitol in seinem Spiegelbild auflöst, so scheint sich Tag für Tag, Stück für Stück und Dekret für Dekret die ältesten demokratischen Strukturen unserer Welt aufzulösen.
Wo bleibt der Widerstand?
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Zum Schluss noch wie immer das Letzte
Bislang sind die DiGAs ja nicht wirklich eine Erfolgsgeschichte geworden, vor allem nicht in der Diabetologie. Endlich aber gibt es einen Lichtblick bei den digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGAs): Die App „glucura“ von Perfood konnte die Wirksamkeit ihrer DiGA nachweisen und erreicht signifikante Verbesserung bei der Glucosekontrolle von Menschen mit Typ-2-Diabetes
glucura ist eine DiGA zur nicht-medikamentösen Therapie von Menschen mit Typ-2-Diabetes. Mit einem integrierten Ernährungstracking, der Integration von kontinuierlichem Glucosemonitoring (CGM), SMART-Zielen und einem Verhaltenstraining wird eine evidenzbasierte Selbststeuerung ermöglicht. Die Nutzer durchlaufen personalisierte Lernmodule und erhalten basierend auf ihren Glucosedaten Ernährungs- und Bewegungsempfehlungen.
In der multizentrischen randomisiert-kontrollierten Studie (RCT) „Metabolic III“ (DRKS00032537) wurden 320 Menschen mit Typ-2-Diabetes über sechs Monate untersucht. Ziel war der Nachweis des klinischen Nutzens der DiGA glucura in Kombination mit kontinuierlichem Glukosemonitoring (CGM) in der Interventionsgruppe im Vergleich zur alleinigen Nutzung eines CGM-Systems in der Kontrollgruppe. Alle Patientinnen und Patienten erhielten bereits eine Standardbehandlung nach den Kriterien des Disease Management Programms (DMP) für Typ-2-Diabetes.
Bei dieser Studie wurde der primäre Endpunkt erreicht, eine klinisch relevante Reduktion des HbA1c nach 6 Monaten: In der Interventionsgruppe sank der HbA1c-Wert im Durchschnitt um -0,80 %, was einer signifikanten Gruppendifferenz von -0,46 % gegenüber der Kontrollgruppe entspricht. 54,8 % der Teilnehmenden in der glucura-Gruppe erreichten einen HbA1c im therapeutischen Zielbereich von <7,0 %, und 27,0 % sogar unter 6,5 %. Auch alle sekundären Endpunkte, darunter die Steigerung der Lebensqualität, Reduktion diabetesbezogener Belastungen und depressiver Symptome sowie das Selbstmanagement wurden signifikant verbessert. 40,5 % der Interventionsgruppenteilnehmer konnten ihr Gewicht um mehr als 5 % gegenüber den Teilnehmenden der Kontrollgruppe reduzieren.
Für die Diabetestherapie in Deutschland ist dies ein deutlicher Fortschritt und es ist ausgesprochen erfreulich, dass diese deutschlandweit größte DiGA-Erprobungsstudie zur Behandlung von Typ-2-Diabetes bei der Verwendung dieser App-basierten Lebensstilintervention und in Kombination mit der CGM-Datenanalyse eine signifikante HbA1c-Senkung erreichen konnte, ein Effekt, wie ihn sonst nur Diabetesmedikamente erzielen. Dieser Ansatz ermöglicht eine patientennahe Therapie in Ergänzung zur Versorgung in Hausarzt- und Facharztpraxen – ein digitaler Ansatz, der Fachpersonal entlastet und Versorgungslücken schließt.
Die „App auf Rezept“ kann sowohl als Erstlinientherapie zur leitliniengerechten Lebensstilintervention als auch parallel zur Arzneimitteltherapie ärztlich verordnet werden. Alle gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten für die DiGA.
Nun ist es wieder November geworden und damit beginnt die dunkle, aber auch die gemütliche Jahreszeit. Das hat auch sein Gutes: Die nervigen Wespen haben sich endlich verabschiedet, der Garten darf sich mal ein paar Monate lang selbst genügen und der Grillzwang hat ein Ende. Dafür warten gemütliche Abende auf der Couch mit all den Büchern, die gelesen werden wollen. Wer lieber einen Filmabend möchte, hier ist der Link für eine unglaubliche Alpenüberquerung von zehn Menschen mit Typ-1 Diabetes – zu Fuß. Die Gruppe ist unter der Leitung von Ivo Rettig, Dialectics, 130 km gewandert und hat dabei 7.000 Höhenmeter erfolgreich überwunden. Eine tolle Leistung, die zeigt, dass auch Menschen mit Diabetes zu Höchstleistungen fähig sind.
Nun entlassen wir euch ins Wochenende.
Mit herzlichen Grüßen,
Dieser Artikel erscheint als Teil des wöchentlichen Letters zu hochaktuellen Entwicklungen im Bereich Diabetes Technologie. Nutzen Sie das nebenstehende Formular um sich für den diatec weekly Newsletter anzumelden!
Mit freundlichen Grüßen
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