Herzlich willkommen beim diatec weekly,

was können wir aus der Geschichte lernen? Anders gefragt – können wir überhaupt etwas daraus? Schließlich sind es andere Zeiten und andere Menschen, die im Jetzt leben. Gleichzeitig gibt es immer wieder ähnliche Konstellationen in verschiedenen zeitlichen Epochen, die zu ähnlichen menschlichen Verhaltensweisen führen. Kann sich Geschichte also wiederholen?

Geschichte wiederholt sich nicht, sagen die einen und argumentieren, dass die Bedingungen niemals dieselben sind. Beispiele dafür: Bislang hat es keinen dritten Weltkrieg gegeben, obwohl es immer wieder brandgefährliche Krisen gab wie die Kuba-Krise 1962. Auch verlief die deutsche Wiedervereinigung friedlich, es kam nicht, wie mancherorts befürchtet, zu einem Bürgerkrieg.

Geschichte wiederholt sich doch, sagen die anderen und finden auch dafür Belege: Aufstieg und Fall von Imperien wie das Römische Reich oder die Sowjetunion gibt es immer wieder, Pandemien wie die Spanische Grippe oder Corona tauchen regelmäßig auf und treffen ebenso regelmäßig auf schlecht vorbereitete Gesundheitssysteme, Wirtschaftskrisen entstehen durch übertriebene Erwartungen und Kriege haben häufig ähnliche Auslöser.

Und was sagt die Philosophie dazu? Hegel zeigte sich skeptisch: „Aus der Geschichte lernen wir, dass wir nichts aus ihr lernen.“ Nietschze warnt gar vor zuviel historischer Bildung: „Wer ständig zurückschaut, kann gelähmt werden.“ Moderner wird es im 20. Jahrhundert, hier ein Satz von George Santayana: „Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnert, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen.“

Wieviel Geschichte steckt also nicht nur in der Geschichte, sondern auch in der Gegenwart? Ein gutes Beispiel ist die Weimarer Republik, von der aktuell viel die Rede ist. Die Weimarer Republik, eines der spannendsten und zugleich lehrreichsten Kapitel der deutschen Geschichte, wird gerne als Beispiel dafür herangezogen, dass Geschichte sich wiederholt. Damals gab es ähnliche Voraussetzungen wie heute, deshalb lohnt sich ein Blick zurück, um Parallelen und Unterschiede zu erkennen. Für alle, die den Geschichtsunterricht schon vergessen haben, ist hier ein kurzer Rückblick:

Die Weimarer Republik, benannt nach dem Tagungsort der Nationalversammlung, begann nach dem Ersten Weltkrieg mit der Abdankung Kaiser Wilhelms II. im Jahr 1918 und endete mit der Wahl Hitlers im Jahre 1933. Heute gilt sie als historisches Beispiel dafür, wie eine Demokratie entsteht – und wieder scheitert. Die Verfassung war durchaus fortschrittlich für ihre Zeit: Es gab Frauenwahlrecht, Gewaltenteilung und Grundrechte. Trotz bester Absichten bei ihrer Entstehung kam es jedoch rasch zu politischer Instabilität. Die vielen kleinen Parteien konnten sich am Ende kaum noch auf die einfachsten Dinge einigen, was zu häufigen Regierungswechseln führte. Die Ränder radikalisierten sich zunehmend: Links wurden die Spartakisten und die KPD immer stärker, rechts plusterte sich die NSDAP auf.

All das führte schließlich zur gesellschaftlichen Spaltung: zwischen Stadt und Land, zwischen Fortschritt und Tradition. Hinzu kam ab 1923 eine Hyperinflation und schließlich 1929 die Weltwirtschaftskrise mit Massenarbeitslosigkeit. Viele Familien wussten nicht mehr, wie sie überleben und wo sie wohnen sollten, und die Politik fand keine Lösungen dafür. Verschwörungserzählungen wie die Dolchstoßlegende untergruben schließlich die Legitimität der Republik, die zum Schluss auch nur noch aus Präsidialkabinetten unter Brüning, Papen und Schleicher regierten und zunehmend ohne parlamentarische Mehrheit. Schließlich konnte eine antidemokratische Partei wie die NSDAP demokratisch gewählt ins Parlament einziehen und es zum Dank dafür zerstören.

Diese Entwicklung kommt gerade durchaus vertraut daher. Deshalb ist es auch kein Wunder, dass aktuell Parallelen zur Weimarer Republik gezogen werden. Aber – und dies ist ein großes Aber: Es gibt auch eine Reihe von Unterschieden, die wir hier beleuchten wollen. Erstens hat die Weimarer Republik es nur ganze 15 Jahre geschafft, während der lange Zeitraum von 75 Jahren, in dem die Bundesrepublik existiert, dazu geführt hat, dass sich mittlerweile drei Generationen nichts anderes mehr vorstellen können als eine gefestigte Demokratie. In diesem Zeitraum wurden bereits mehrfach Krisen gut durchgestanden und die Bundesrepublik verfügt über eine gefestigte Mitte, die es in der Weimarer Republik nie gab. Auch haben wir in der parlamentarischen Struktur keinen so starken Reichspräsidenten, der mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet ist. Unser Bundespräsident hat so gut wie keine politische Macht, sondern mehr repräsentative Aufgaben.

Die Weimarer Republik war eine Demokratie ohne echte Demokraten! Große Teile der damaligen Eliten aus Militär, Justiz, Wirtschaft, Bildungsbürgertum standen der Demokratie skeptisch oder gar feindlich gegenüber. Selbst der zweite Reichspräsident Paul von Hindenburg war ein Mann, der die demokratische Regierungsform und die liberale Gesellschaft abgelehnte. Unser Rechtsstaat ist robust und unsere gewählten Politiker nicht korrumpierbar. Auch wenn die Ränder bei uns stärker werden, sinnvolle und umsetzbare politische Konzepte finden sich dort ebenso wenig wie Antworten auf die drängenden Fragen unserer Zeit. Auch hierin liegt ein großer Unterschied.

Trotzdem zeigt das Beispiel der Weimarer Republik, wie schnell eine Demokratie von innen heraus zerstört werden kann und wie wichtig es ist, aus der Geschichte zu lernen. Deshalb halten wir es mit Cicero: „Geschichte ist Lehrmeisterin des Lebens“ (Für alle Lateiner: Historia magistra vitae). Klassisch, aber optimistisch.

Die Themen der Woche beginnen mit einem Artikel unseres Kollegen Norbert Hermanns zu digitalen Gesundheitslösungen in Frankreich, gefolgt von aktuellen Studienergebnissen bei Tandem und last but not least geht es um Senseonics und die Beendigung der Zusammenarbeit mit Ascensia und die Gründe dafür.

Bevor es losgeht, haben wir noch gute Neuigkeiten für Euch: Die Anmeldungen für diatec und t1day im Januar 2026 sind online. Wer schnell ist, kann sich den Frühbucher-Rabatt sichern. Wir haben uns mit dem gesamten diatec-Team wieder um ein spannendes und innovatives Programm bemüht und werden in den nächsten Wochen hier immer den einen und den anderen Programmpunkt vorstellen. Nun zu den weekly-Themen, auf geht’s!

Digitale Gesundheitslösungen haben das grundsätzliche Potenzial, die Selbstbehandlung und Versorgung von Menschen mit Diabetes zu revolutionieren. Werden sie aber auch genutzt und wenn ja, von wem und was fördert oder behindert ihre Einführung?

Digitale Gesundheitslösungen in Frankreich

Haben es unsere Nachbarn besser? In einer kürzlich in Acta Diabetologica veröffentlichten französischen Studie mit 301 Menschen mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes in Frankreich wurde festgestellt, dass Informations- und Bildungsplattformen am häufigsten genutzt wurden, gefolgt von Selbstmanagement-Tools und Lösungen zum Datenaustausch für die kollaborative Versorgung

Im März präsentierte Tandem die Ergebnisse der „2IQP“-Zulassungsstudie zu Control-IQ+ bei Patienten mit Typ-2-Diabetes (T2D), die zeitgleich im New England Journal of Medicine (!) veröffentlicht wurde [1]
Zur Erinnerung, das AID-System Control-IQ+ hat letzten Monat die Zulassung in den USA für Erwachsene mit T2D erhalten und wird gerade in den USA in den Markt eingeführt:

Tandem zeigt sich hochaktiv!

An der Studie nahmen 319 Teilnehmer aus 21 Gesundheitszentren in den USA und Kanada teil. Alle wurden mit einer Basalbolus-Insulintherapie betreut und nach dem Zufallsprinzip (2:1) ausgewählt, um auf eine Tandem t:slim X2-Insulinpumpe mit Control-IQ+-Technologie (= AID-Gruppe) umzusteigen, die in Verbindung mit einem Dexcom G6-Sensor und Insulin Aspart von Novo Nordisk verwendet wird, oder um mit ihrem bestehenden Insulintherapieplan und einem nicht verblindeten Dexcom G6-Sensor (= CGM-Gruppe) fortzufahren. Der primäre Endpunkt der Studie war die Veränderung des HbA1c-Wertes gegenüber dem Ausgangswert. Die Anwesenheit einer Kontrollgruppe ermöglicht die Bestimmung des Studien- – gegenüber dem Behandlungseffekt; die Vortragenden betonten die Bedeutung des erstmaligen Charakters der Studie als groß angelegte RCT von AID für T2D.

Im Jahr 2020 ging die Firma Senseonics eine Kooperation mit Ascensia ein, bis dato ist Ascensia Diabetes Care derzeit der weltweite Exklusivvertrieb der Eversense-Geräte. Dadurch musste Senseonics keine eigene kommerzielle Infrastruktur aufbauen und unterhalten. Nun plant das Unternehmen die Rückführung der CGM-Vermarktung ins eigene Unternehmen, weil man zuversichtlich ist, dass ein Wendepunkt in der Patientennachfrage unmittelbar bevorstehe. Senseonics bringt also die CGM-Vermarktung zurück ins eigene Unternehmen und verkündet:

Senseonics und Ascensia beenden Zusammenarbeit

Senseonics und Ascensia Diabetes Care haben bekannt gegeben, dass die gesamte weltweite Vermarktung und Vertrieb von Eversense 365 und zukünftigen Produkten zum Anfang 2026 wieder an Senseonics zurückübertragen werden. Diese Beendigung der Zusammenarbeit zwischen Ascensia und Senseonics ist etwas überraschend, da ein neues Produkt, ein implantierbares CGM-System mit einer Nutzungsdauer von einem Jahr, aktuell im CE-Markierungsprozess ist und mit einer Markteinführung im vierten Quartal 2025 gerechnet wird.

Das Bild der Woche

 

Das Meer schickt uns den Müll zurück! Winzige Plastikpartikel werden von
natürlichen Seegraswiesen gebündelt und in Form von „Neptunbällen“ wieder an
die Strände ausgespukt, haben Forscher der Universität Barcelona herausgefunden.

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Zum Schluss noch wie immer das Letzte

Vor knapp einem Jahr, genau am 17. Oktober 2024, hat der damalige Bundestag mit dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) eine Reform für Deutschlands Krankenhäuser beschlossen. Verantwortlich dafür war der Gesundheitsminister Karl Lauterbach. Sein Haus hatte das Gesetz lange vorbereitet und nach endlosen Diskussionen und in einem echten Krimi – so die Bildzeitung – im November durch den Bundesrat verabschiedet.

Das Reform-Gesetz sollte die bisherigen Fallpauschalen ablösen und durch Vorhaltepauschalen (60 % der Vergütung als Sockelbetrag, restliche Vergütung über Leistung) ersetzen. Spezialisierung sollte deutlich gefördert durch Konzentration komplexer Eingriffe auf leistungsstarke Kliniken gefördert werden und Überkapazitäten sollten abgebaut werden, um Kosten zu senken und Bürokratie abzubauen. Für die Finanzierung sollte ein Transformationsfonds mit bis zu 25 Mrd. € aufgebaut werden, an dem sich Bund und Länder jeweils hälftig beteiligen sollten und der ab dem kommenden Jahr bis 2035 aufgebaut werden sollte. Die Umstellung sollte zwischen 2027 und 2029 schrittweise erfolgen und die Patienten-Versorgung mittel- bis langfristig sichern.

Doch kaum ist die Reform in Kraft, gibt es mit Nina Warken eine neue Bundesgesundheitsministerin und die sagt sinngemäß: „Na ja, ganz so streng wollen wir’s dann doch nicht.“ Sie will die Reform zwar nicht komplett zurücknehmen, aber anpassen und „alltagstauglich ausrichten“ will. Was heißt das nun wieder?

Die nette Frau Warken will pragmatische Lösungen und sieht Ausnahmeregelungen für Kliniken aus dem ländlichen Bereich und überhaupt mehr Flexibilität bei der Umsetzung vor. Verzögerungen in der Umsetzung sollen zulassen werden und alle Kliniken und auch die Länder, sollen mehr Zeit bekommen, die Vorgaben umzusetzen. Generell plädiert sie für längere Übergangsfristen und will damit vor allem die Grundversorgung sichern. Trotz notweniger Spezialisierung sollen Grund- und Notfallversorgung in ländlichen Regionen weiter gewährleistet sein, Ausnahmen sind aber möglich.

Frau Warken Zeitplan sieht vor: Ein Gesetzentwurf zur Anpassung soll im Bundeskabinett voraussichtlich diese Woche besprochen und ein mehrheitsfähiges Gesetz „wenn möglich noch in diesem Jahr“ vorgelegt werden: „Wir wollen bessere Versorgung und keine Behandlungsillusion.“

Tja, wer will das nicht? Aber die aktuelle Situation ist doch diese hier: Viele Kliniken, vor allem im ländlichen Raum, schreiben rote Zahlen, weil ein Drittel der Betten unbesetzt ist. Der GKV-Spitzenverband warnt bereits davor, verbindliche Qualitätsstandards zu verwässern und fordert, dass die Spezialisierung von Kliniken weiter gefördert werden, um die Patientensicherheit auch in Zukunft zu gewährleisten.

So geht das also mit Reformen: Sie kommen, nicht um zu bleiben, sondern werden weichgespült und manchmal auch gekippt. Für Kliniken auf dem Land mag die Reform der Reform eine Atempause sein, für die Reform selbst bedeutet es: Das System ist nicht wirklich reformfähig. Oder wie der Volksmund sagt: Rin inne Kartoffeln, raus auße Kartoffeln. Wie wollen wir jemals noch reformfähig sein?

Das wars für die Woche. Wir hoffen, Sie haben uns gerne gelesen, wenn Sie Kommentare oder Kritik haben, melden Sie sich gerne. Das Wochenende ist so gut wie da, genießen Sie es und freuen sich über den schönen Spätsommer.

Es grüßen herzlich,

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Mit freundlichen Grüßen