Herzlich willkommen zum diatec weekly,
mit der Moral ist es nicht immer so einfach! Sie gilt als die Natur des Guten und mit Moral meinen wir die Gesamtheit von ethisch-sittlichen Normen, Grundsätzen, Regeln und Werten, die das zwischenmenschliche Verhalten einer Gesellschaft regulieren und an denen wir Menschen uns im Umgang miteinander orientieren. Moralisch zu handeln, bedeutet Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen – auch dann, wenn gerade niemand zuschaut. Wenn wir aber moralisches Handeln nur von anderen verlangen und sie selbst umgehen, sprechen wir von ihrer Zwillingsschwester, der Doppelmoral.
Wer in den vergangenen Dekaden in einem friedlichen und sicheren Land wie die Bundesrepublik Deutschland leben durfte, hatte es relativ leicht mit seinen moralischen Vorstellungen dazu, was richtig ist und was falsch. Moralisch richtig ist zum Beispiel, Zivilcourage zu zeigen und sich für Schwächere einzusetzen oder auch, einen Fehler einzugestehen und sich dafür zu entschuldigen. Moralisch falsch ist eine Lüge, um einen persönlichen Vorteil zu erlangen oder Steuern zu hinterziehen, obwohl man genug Geld hat. Instinktiv wissen wir meistens, was richtig ist und was falsch, vor allem gilt das für Letzteres. Trotzdem gibt es Grenzbereiche, die von unterschiedlichen Sichtweisen geprägt sind. Tiere essen z.B.: Der Veganer sieht im Fleischkonsum ein moralisches Problem, während es für den Jäger oder der Bäuerin eine Lebensweise ist.
Moral kommt gerne mit Pathos daher und der kann nicht groß genug sein. Es geht um die großen Themen wie Menschenwürde und Menschenrechte, Meinungsfreiheit und Selbstbestimmung, Nachhaltigkeit und Verantwortung für unsere Umwelt oder um eine wertegeleitete Außenpolitik – alles ohne Frage erstrebenswerte Errungenschaften, die von allen Menschen und Völkern akzeptiert und bewahrt werden sollten. Das ist wohl für die meisten von uns tiefste Überzeugung, aber dann – handeln wir nicht immer danach.
Wir verurteilen den russischen Angriffskrieg aufs Schärfste und betrachten die Solidarität mit den Ukrainern als unsere moralische Pflicht. Wenn es jedoch um die Rechte der Palästinenser geht, verhalten wir uns deutlich zurückhaltender. Wir verdammen Kinderarbeit und Umweltzerstörung und kaufen gleichzeitig so billig und bequem wie möglich und lassen dabei außer Acht, dass damit eine ganze Kette ökonomischer, sozialer und kultureller Verluste einhergeht. Trotz wiederkehrender Beschwörung einer wertebasierten Außenpolitik scheuen wir uns nicht, regelmäßig Waffen an Länder zu liefern, die nachweislich in Menschenrechtsverletzungen verwickelt sind. Selbst die Regeln für Meinungsfreiheit sind politisch und wirtschaftlich motiviert, seit systematisch auf den sozialen Plattformen unbequeme Inhalte gelöscht werden, Algorithmen übernehmen das ganz automatisch.
Nicht selten also wird dasselbe Handeln in einem anderen Kontext auch anderes bewertet und genau hier beginnt die Doppelmoral als stillschweigende Ausnahme vom eigenen Prinzip. Doppelmoral entlarvt die Heuchelei und ist doch inzwischen zur treuen Begleiterin geworden, auf der großen Bühne ebenso wie in unserem normalen Alltag. Denn sie ist wunderbar, weil sie uns vieles zugesteht, was wir eigentlich ablehnen, z.B. Grün zu wählen oder „Fridays for Future“ gut zu finden und gleichzeitig einen dicken SUV zu fahren. Wir dürfen Steuerschlupflöcher nutzen und Handwerker gerne auch mal „schwarz“ entlohnen und gleichzeitig über das marode Bildungswesen schimpfen. Wir fordern Gerechtigkeit für alle und nehmen doch am liebsten nur für uns selbst in Anspruch. Und wir heben gerne unseren moralischen Zeigefinger, während wir mit der anderen Hand diskret etwas tun, was wir bei anderen empörend finden. Ein wahres Multitool der modernen Ethik also, das ist die Doppelmoral! Wer braucht auch schon Konsequenz, wenn es um ein gutes Image geht?
Der Mensch ist übrigens das einzige Lebewesen mit einem ausgeprägten Gespür für Moral und damit die Ausnahme von allen anderen Tieren und Pflanzen. Alle anderen Tiere tun, was sie tun müssen und urteilen nicht darüber, schon gar nicht diskutieren sie über Regeln oder Gesetze oder Völkerrechte – wir dürfen die Mäuse nicht mehr essen, beschließen die Katzen? Wieso ist das bei uns anders? Warum beurteilen wir manche Taten nicht nur als ungewöhnlich oder unangenehm, sondern als schlichtweg falsch? Warum messen wir mit zweierlei Maß?
Weil wir Menschen sind! Und weil wir dazu neigen, unser eigenes Verhalten milder zu beurteilen als das Verhalten anderer. Wir kennen unsere eigene Absicht, die Umstände und die Zwänge, während bei anderen dieser mildernde Kontext fehlt. Soziologisch führt Doppelmoral zur Gruppenstärkung, denn wir verzeihen „den Unseren“ mehr als „den Anderen“. Unsere Moralvorstellungen sind gefärbt durch Herkunft, Gewohnheit, Gruppenzugehörigkeit und Nutzen. Wir beurteilen Taten dann als falsch, wenn sie unsere Grundwerte und unser Sicherheitsgefühl bedrohen. Darüber hinaus beeinflussen Machtstrukturen unsere Urteile: Wer privilegiert ist, wird fast immer nachsichtiger behandelt und kann sich eher moralische Ausnahmen erlauben. Am vergangenen Wochenende konnte man das sehr gut in Venedig beobachten.
Und die Moral von der Geschicht‘? Unsere Urteile sind inkonsistent: Wenn ein armer Mensch etwas stiehlt, ist er ein Krimineller, aber wenn ein Konzern mit Tricks Milliarden spart, nennt man das wohlwollend Steuergestaltung. Moral ist also immer auch eine Frage der Perspektive, dessen müssen wir uns bewusst sein. Wenn wir also moralisch handeln wollen, geht dies nur mit Selbstreflexion. Die Antwort auf die ehrliche Frage: „Würde ich dasselbe sagen oder tun, wenn es mich selbst beträfe?“ ist oft schwer zu finden, aber vielleicht der erste Schritt zur echten Gerechtigkeit. Es bleibt die zentrale Frage: Wie wollen wir leben – und was sind wir bereit dafür aufzugeben? In diesem Sinne: Bleiben Sie moralisch! Zumindest so lange, bis es wirklich unbequem wird.
Unser Beitrag in dieser Woche ist ein ausführlicher Bericht von weiteren Themen, die beim ADA behandelt wurden. Bei unseren Themen Diabetes-Technologie war das Ganze eher überschaubar
Der ADA 2025 in Chicago stand einmal mehr im Zeichen bahnbrechender Fortschritte in personalisierten Kombinationstherapien und praxistauglichen Monitoring-Systemen, ergänzt durch aktualisierte Leitlinien, die den Zugang zu innovativen Techniken für mehr PatientInnen öffnen sollen. Eher überschaubar waren das Thema Diabetes-Technologie, das Problem soll nun aber systematisch angegangen werden:
ADA 2025 – ein Überblick
Die Atmosphäre beim diesjährigen Kongress der Amerikanischen Diabetes-Gesellschaft (ADA) in Chicago war spürbar positiver als im Vorjahr in Orlando, Florida. Das spiegelte sich jedoch nicht in der Zahl der Teilnehmenden vor Ort wider: Mit rund 7.500 Besuchern lag sie deutlich unter dem Niveau früherer Jahre – insbesondere im Vergleich zur Zeit vor der Corona-Pandemie. Der ADA-Kongress findet zudem nicht mehr als Hybridveranstaltung statt; eine Live-Übertragung gab es nicht. Immerhin konnten rund 200 Sessions im Nachgang online abgerufen werden – etwa 1.300 Personen nutzten dieses Angebot.
Die Frage des Monats widmet sich aktuellen politischen, versorgungs- oder behandlungsbezogenen Diabetesthemen. Wie die dia·link-Community die Frage des Monats Juni beantwortet hat, können Sie Hier sehen. Die Frage des Monats Juni bezog sich auf die Frühjahrstagung der deutschen Diabetes-Gesellschaft:
Im Rahmen der diesjährigen Jahrestagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) wurden aktuelle Entwicklungen und Innovationen in der Diabetologie vorgestellt. Unter den Stichworten: Individuell, Interdisziplinär, Innovativ! tauschten sich Fachleute aus ganz Deutschland über neue Ansätze in der Diabetesbehandlung aus, insbesondere über personalisierte Therapien, die durch Fortschritte in Genetik und Biomarker-Forschung möglich werden.
Das Bild der Woche
Was sind sie eigentlich: Flexible Optionen für die letzte Meile oder einfach nur nervige Hindernisse
und Barrieren für sehbehinderte Menschen – die Meinungen zu den bunten Scooter Parks auf
unseren Bürgersteigen gehen deutlich auseinander. Mehr Ordnung scheint angebracht.
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Zum Schluss noch wie immer das Letzte
Können diese wunderbaren Chatbots lügen? Offenbar ja, denn inzwischen verbreiten KI-Systeme auch Fake News. So hat vor ein paar Tagen der KI-Bot Grok xAI (die KI von Musk) behauptet, dass der bekannte Reporter und Podcaster Paul Ronzheimer überhaupt nicht in Tel Aviv gewesen ist, um live von dort zu berichten, sondern ganz bequem vor einem Green Screen saß. Paul Ronzheimer dementiert dies natürlich und kann auch belegen, tatsächlich in Israel gewesen zu sein.
Die Geschichte ist aber ein guter Anlass, genauer hinzuschauen, was KI inzwischen alles so kann, sondern auch behauptet. Es gibt bereits eine ganze Reihe dokumentierter Fälle, in denen KI-Systeme Fake News produziert, verbreitet oder glaubwürdig erscheinen lassen. Sie reichen von harmlosen Fehlern bis hin zu gezielten Desinformations-Kampagnen, z.B. bei Wahlen.
KI schreibt falsche Nachrichten, die glaubhaft klingen, erfindet Nobelpreisträger oder veröffentlicht Zitate von echten, die sie nie gesagt haben. Chatbots fälschen Studienergebnisse oder generieren gleich ganze Studien mitsamt Ergebnissen, die niemals stattgefunden haben. Es wurden schon KI-generierte Lokalzeitungsmeldungen mit gefälschten Nachrichten zu Politik und Wirtschaft entdeckt, Anwälte in den USA haben mit KI-Systemen erfundene Gerichtsurteile recherchiert und legen Menschen Aussagen in den Mund, die sie nie getroffen haben.
Ganz schlimm wird es bei Fotos, da finden sich Bilder von einem explodierenden Pentagon, Fotos von Putin an Tatorten oder Selenskyjs Kapitulation, alles Fake. Immer mehr Memes kursieren durchs Netz mit teilweise witzigen oder absurden Inhalten (hier ein Beispiel, bitte das kleine Filmchen einfügen, wo die dicke Frau vom Boot ins Wasser springt und das Boot untergeht). Chatbots beeinflussen Social Media Accounts und Messenger wie Telegram und verbreiten immer noch falsche Informationen zu Impfungen, Nebenwirkungen und Long Covid – mit dem Ziel einer negativen Manipulation.
Was können wir tun, um solchen KI-Fake nicht auf den Leim zu gehen? Das ist zuerst mal mühsam, denn es heißt: Quellen checken, und zwar nicht nur den Text, sondern auch den Ursprung der Quelle. Wem das zu mühsam ist, kann KI-Detektoren nutzen, um Bilder und Deepfakes zu entlarven, z.B. Hive oder Sensity. Weitere Tools gegen KI-Desinformation sind Newsgard, um Nachrichten auf Vertrauenswürdigkeit zu checken, Glaze für Künstler schützt Bilder vor Stilklau und Botometer erkennt Social-Media-Bots. Dies ist nur eine kleine Auswahl, denn inzwischen gibt es viel mehr. Wir werden das Thema auch bei der nächsten diatec im Januar 2026 adressieren.
Grundsätzlich sollten wir immer misstrauisch sein, vor allem bei zu perfekten Inhalten, denn KI hat die grundsätzliche Tendenz, Fakten zu glätten und gerne auch mal Inhalte hinzuzuerfinden, wenn Kontext fehlt. Nicht alles, was gut klingt, ist auch gut und Algorithmen zeigen Dir nicht die Wahrheit, sondern verstärken nur, was Dich gerade beschäftigt.
Damit Ihr mal seht, was es inzwischen alles gibt, ist hier eine KI-generierte vergleichende Einordnung, die wir mit Hilfe von ChatGPT erstellt haben (Stand Mitte 2025):
System | Stärken | Zugang |
ChatGPT 4o | Schnell, multimodal, Top-Texte | Browser/App, OpenAI |
Claude 3.5 | Langtexte, Kontexttiefe | Anthropic.com |
Gemini 1.5 | Google-Dienste, Mathe | Google Workspace, App |
Mistral | Open Source, effizient | Hugging Face, lokal |
LLaMA 3 | Frei nutzbar, flexibel | Meta AI, Open Source |
Grok | X/Twitter-Integration | X Premium-Nutzer |
Und jetzt machen wir es wie bei der Ziehung der Lottozahlen: Für Richtigkeit und Vollständigkeit übernehmen wir keine Gewähr.
Ganz zum Schluss bedanken wir uns herzlich bei allen, die unserer Bitte gefolgt sind und Spenden für Leo, dem russischen Pianisten geschickt haben. Wir haben vergangene Woche über ihn erzählt und freuen uns auch weiterhin über Spenden.
Nun verabschieden wir uns für eine Weile, denn wir gehen in die Sommerpause. Das werden die meisten von euch auch tun und was immer ihr vorhabt, ob verreisen oder entspannt zu Hause bleiben, wir wünschen gute Erholung dabei.
Herzliche Grüße senden,
Dieser Artikel erscheint als Teil des wöchentlichen Letters zu hochaktuellen Entwicklungen im Bereich Diabetes Technologie. Nutzen Sie das nebenstehende Formular um sich für den diatec weekly Newsletter anzumelden!
Mit freundlichen Grüßen