Herzlich willkommen beim diatec weekly,

sind Sie ein anständiger Mensch? Was für eine Frage, werden Sie sagen, natürlich bin ich das. Jeder von uns würde das sagen. Anstand hat auch gerade Hochkonjunktur, schließlich ist Wahlkampf und da wollen wir anständige Politiker sehen, die eine anständige Politik machen und uns und unsere Interessen anständig vertreten. Was genau macht einen anständigen Politiker ergo Firmenboss ergo überhaupt jeden Menschen aus? Moral oder Respekt oder Integrität? Und ist anständig sein das Gegenteil von unanständig sein, was normalerweise eher in einem schamlosen Sinne verwendet wird? Wer definiert, ob jemand anständig ist oder nicht? Schauen wir den Anstand einmal etwas genauer an.

Der Begriff lässt sich zurückführen auf das mittelhochdeutsche „anstant“, was Haltung, aber auch Zurückhaltung oder Auftreten bedeutete. Die Bestandteile „an“ und „Stand“ verweisen auf die innere und äußere Haltung eines Menschen. In seiner ursprünglichen Bedeutung wurde mit „Anstant“ das Anstehen der Jäger bezeichnet, die auf das Wild warteten, das gilt übrigens bis heute. Auch der Aufschub eines Geschäftes wurde mit Anstand bezeichnet, im Sinne von „es gibt noch etwas zu beanstanden“. Der Begriff „anstandslos“ stammt aus diesem Zusammenhang ebenso wie das heute Anstehen, was nichts anderes als Warten bedeutet.

In der weiteren Entwicklung – sowohl der gesellschaftlichen als auch der sprachlichen – erfuhr der Begriff einen mehrfachen Bedeutungswandel. Im frühen 18. Jahrhundert wurde er in Bezug zu Handlungen, aber auch Kleidung genutzt: „Der Anzug stand ihm sehr gut an“ oder „Der Hut stand ihr gut zu Gesichte an“. Daraus entwickelte sich die Erscheinung und das Betragen einer Person und der Begriff Anstand wurde ihm aufgrund seines vermeintlichen Charakters zugeordnet: Das ist ein anständiger Mensch! Natürlich galt das in erster Linie für Menschen aus dem gehobenen Stand und natürlich auch nur für Männer.

Dass ein guter Anstand aber wenig Rückschlüsse auf den Charakter eines Menschen zulässt, wussten bereits Zeitgenossen wie Kant, der Ende des 18. Jahrhunderts schrieb: „Der gute, ehrbare Anstand ist ein äußerer Schein, der andern Achtung einflößt … überhaupt ist Alles, was man Wohlanständigkeit nennt, von derselben Art, nämlich nichts als schöner Schein.“ Mit Knigge entstand im 19. Jahrhundert eine regelrechte Anstandskultur und es wurde immer wichtiger, sich anständig zu benehmen, bei Tisch, in der Gesellschaft, in der Öffentlichkeit und im generellen Umgang miteinander. Seitenlange Regeln wurden dazu entwickelt und schließlich in einem Buch gleichen Namens veröffentlicht. Der Knigge hatte bis weit in unsere Zeit hinein Gültigkeit.

Mit der Zeit wurde der Begriff Anstand mehr dem weiblichen Geschlecht zugeordnet, nun jedoch als Synonym für Sittlichkeit und Moral: Ein anständiges Mädchen war eine unverheiratete Frau mit sittlich untadeligem Verhalten. Übersetzt bedeutete das vor allem, dass es sich nicht auf vor- oder außerehelichen Geschlechtsverkehr einließ. Unanständige unverheiratete Frauen liefen Gefahr, nicht mehr geheiratet zu werden, vor allem nicht von denjenigen, die ihnen die Unschuld abgequatscht hatten. Zeitgleich wurde einem anständigen Kerl erwartet, dass er sich gegenüber seinesgleichen fair und großmütig verhält und nicht nur nach dem eigenen Vorteil handelt.

Nachdem der Anstand für eine Weile als antiquiert und überholt galt, erlebt er nun eine Renaissance. Der Journalist und Schriftsteller Axel Hacke hat ihm gleich ein ganzes Buch gewidmet und reflektiert auf unterhaltsame und tiefgründige Weise, was Anstand bedeutet und warum er gerade in der heutigen Zeit wichtig ist: Axel HackeÜber den Anstand in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wir miteinander umgehen. Verlag Antje Kunstmann, München 2017, ISBN 978-3-95614-200-0. Prädikat: Lesenswert!

Nun erwarten wir also anständige Politiker, die sich durch Werte und Eigenschaften auszeichnen und das Gemeinwohl, Gerechtigkeit und die Verantwortung gegenüber den Bürgern in den Mittelpunkt ihres Handelns stellen, vor allem in der Art und Weise, wie sie politische Entscheidungen offen und nicht in irgendwelchen Hinterzimmern treffen und sie auch kommunizieren. Der oder die anständige PolitikerIn handelt nicht opportunistisch, sollte offen über alle Entscheidungen, deren Gründe und mögliche Folgen informieren und die langfristigen Auswirkungen des Handelns auf Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft berücksichtigen. Er oder sie hat Verständnis für die Bedürfnisse und Sorgen der Bürger, ist offen für Diskussionen und bereit, unterschiedliche Meinungen zu hören und abzuwägen – und lässt sich selbstverständlich nicht von Lobbygruppen oder persönlichen Interessen beeinflussen. Eine anständige Politik erkennt Fehler der Vergangenheit an, korrigiert diese und zieht daraus Lehren für die Zukunft.

Das wäre also der Maßstab für Anständigkeit in der Politik und wir alle haben in weniger als zehn Tagen die Wahl, ob sich unsere Volkvertreter, die sich zur Wahl stellen, an dieser Latte messen wollen – und können. Gleiches lässt sich auch für unseren generellen Umgang miteinander sagen. Anstand ist weit mehr als bloße äußere Etikette, sondern beschreibt eine innere Einstellung, die das Verhalten gegenüber anderen Menschen leitet und diese fair und respektvoll zu behandeln, auch und gerade dann, wenn die Meinungen auseinandergehen.

Anständige Unternehmen verpesten nicht die Umwelt, behandeln ihre Kunden und Mitarbeiter fair und setzen nicht den persönlichen Profit über alles andere. Anstand im Alltag bedeutet Rücksichtnahme im Straßenverkehr, Geduld und Freundlichkeit im täglichen Miteinander, respektvolle Kommunikation und Teamgeist im Arbeitsleben und ein freundlicher und höflicher Umgangston in der digitalen Welt. Indem wir uns bewusst für anständiges Verhalten entscheiden, tragen wir auch aktiv dazu bei, unsere Gesellschaft freundlicher und gerechter zu gestalten. Und das kann jeder von uns, einfach so!

Bevor wir zu den Themen der Woche kommen, möchten wir noch kurz auf drei Dinge hinweisen:

  1. Auf eine neue Folge des Podcasts o-ton-diabetologie Diabetestechnologie von Bernd Kulzer und Lutz Heinemann mit einem Rückblick auf die diatec 2025:
  2. Auf eine Stellungnahme der DDG zur Rili-BÄK zum Versuch der ALM e.V. (Akkreditierte Labore in der Medizin, eine Interessensvertretung von 200 Großlaboren), die Glucosebestimmungen im Serum durchsetzen will
  3. Und auf eine Veranstaltung des VDBDs zum Thema Nachhaltigkeit für DiabetesberaterInnen und -assistentInnen. Infos unter

Bei den Themen der Woche starten wir mit einem Interview, das wir mit der General Managerin bei Roche Diagnostics Deutschland, Daniela Kahlert geführt haben und die uns über neue Strategien und Produkte von Roche informiert hat. Dann haben wir einen Gastbeitrag von Jonas Laaser aus Hamburg, einer der Nachwuchs-Diabetologen, der über den  Stellenwert von Diabetes und insbesondere Diabetestechnologie im Medizin-Studium berichtet und zum Schluss stellen wir einige Gedanken und Fragen zu einer relativ wenig beachteten Patientengruppe mit Diabetes vor. Wir haben Sie hoffentlich neugierig gemacht und auf geht’s!

Roche Diagnostics, eine Division des Schweizer Unternehmens Roche, konzentriert sich auf die Entwicklung und Bereitstellung von diagnostischen Lösungen, hauptsächlich im Laborbereich. Für uns in der Diabetologie ist vor allem der Diabetesbereich mit seinen Technologien und Produkten wie Accu-Chek® und mySugr® von Interesse. Dieser Geschäftsbereich wurde vor etwa zehn Jahren als eigenständige GmbH unter dem Namen Roche Diabetes Care ausgegliedert und nun wieder in Roche Diagnostics eingegliedert.
Wir haben mit Daniela Kahlert gesprochen, sie ist die Geschäftsführerin der Roche Diagnostics Deutschland GmbH und sorgt seit 23 Jahren in unterschiedlichen Funktionen bei Roche für diagnostische Lösungen in den Bereichen Onkologie, Neurologie, Infektionskrankheiten und kardiovaskulärer Erkrankungen. Seit Mitte 2024 ist sie nun auch verantwortlich für den gesamten Diabetesbereich, deshalb hatten wir:

Sieben Fragen an Daniela Kahlert von Roche Diagnostics Deutschland

Diatec weekly: Roche Diabetes Care wird wieder in den Mutterkonzern eingegliedert und damit Teil von Roche Diagnostics. Was waren die Gründe, die zur Entscheidung geführt haben, die eigenständige GmbH Roche Diabetes Care wieder einzugliedern in Roche Diagnostics Deutschland?

Diabetes mellitus ist eine der meistverbreiteten Volkskrankheiten mit ungebremsten Zuwächsen. Da sollte man doch meinen, dass in der Ausbildung von zukünftigen Ärzten den unterschiedlichen Ausprägungen eines gestörten Glukosestoffwechsels auch eine besondere Aufmerksamkeit zukommt. Doch mitnichten, gerade einmal vier Stunden wird während des Studiums Diabetes gelehrt. Mit einem beeindruckenden Gastbeitrag stellt Jonas Laaser aus Hamburg, Leiter der Nachwuchsgruppe der DDG vor, wie es ausschaut mit: 

Diabetes-Technologie im Studium und Facharztausbildung – zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Ein Gastbeitrag von Dr. med. Jonas Laaser, Hamburg

“Kommt ein Mensch mit AID in eine Notaufnahme…” Für die meisten Menschen klingt das wie der Anfang eines Witzes, für diejenigen, die diabetologisch tätig sind, löst dieser Satz allerdings häufig ein beklemmendes Gefühl aus. Denn auf diesen Satzbeginn folgt keine humorvolle Pointe, sondern die traurige Realität, dass es in Kliniken immer noch dazu kommt, dass jegliche „Fremdkörper”, wie eben ein AID-System, welches ein Mensch mit Diabetes am Körper trägt, gerade in Akutsituationen erstmal abgenommen wird – manchmal auch ohne jeglichen äußeren Druck. Woran liegt es, dass Menschen mit Diabetes so essenzielle Bestandteile der Therapie einfach weggenommen werden?

In Deutschland waren im Dezember 2023 knapp 5,7 Millionen Menschen pflegebedürftig im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes (SGB XI). Davon wurden etwa 86% (4,9 Millionen Menschen) zu Hause versorgt, entweder durch Angehörige oder mit Unterstützung ambulanter Pflegedienste. Die verbleibenden 14% (rund 800.000 Menschen) wurden in Pflegeheimen vollstationär betreut. 
Wie viele pflegebedürftige Menschen mit Diabetes es in Deutschland gibt, darüber wissen wir wenig:

Eine unbekannte Patientengruppe mit Diabetes

Versuchen wir uns dieser Frage mit Schätzungen anzunähern: Aktuell gehen wir davon aus, dass in Deutschland rund 11 Millionen Menschen mit Diabetes leben. Darunter sind etwa 8,7 Millionen Menschen mit einem diagnostizierten Typ-2-Diabetes und 372.000 mit Typ-1-Diabetes. Genaue Daten darüber, wie viele der pflegebedürftigen Menschen an Diabetes erkrankt sind, liegen nicht vor, der prozentuale Anteil dürfte aber höher sein, denn es ist bekannt, dass Diabetes zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen kann, die eine Pflegebedürftigkeit bedingen oder verstärken.

Zum Schluss noch wie immer das Letzte

Diese Woche fand in Paris der „Artificial Intelligence Action Summit“ statt, ein zweitägiges Treffen mit rund 1.500 Teilnehmern aus etwa 100 Ländern zum Thema Künstliche Intelligenz. Unter den Gästen waren hochrangige Persönlichkeiten wie Bundeskanzler Olaf Scholz, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, US-Vizepräsident J.D. Vance und der indische Premierminister Narendra Modi. Auch führende Vertreter der Tech-Branche, darunter Google-Chef Sundar Pichai und Sam Altman von OpenAI, nahmen teil. Elon Musk war nicht in Paris.

Ziel des Gipfels war es, Europas Rolle im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz (KI) zu stärken, um mit den USA und China wettbewerbsfähig zu bleiben. Man diskutierte über Einsatzmöglichkeiten von KI in Bereichen wie Gesundheit, Bildung und Arbeit, aber auch Themen wie der hohe Energiebedarf von Rechenzentren und Fragen der Regulierung standen auf der Agenda. Gastgeber Emmanuel Macron kündigte Investitionen von mehr als 100 Milliarden Euro in die französische KI-Infrastruktur an, die vor allem aus dem Privatsektor stammen sollen. Frankreich hat mit seinen Atomkraftwerken auch kein Problem mit dem immensem Energiebedarf von KI.

Unser Noch-Bundeskanzler Scholz verglich in seiner Rede KI mit Autos und erklärte, dass jeder halbwegs verstehe, wie Autos funktionieren, aber nur wenige sind in der Lage, eines zu bauen. Ähnlich sei es nun auch mit der KI, sie ist für die meisten Menschen schwer zu verstehen und das löst sowohl Faszination als auch Furcht aus. Scholz wollte damit wohl die Komplexität und die unterschiedlichen Wahrnehmungen von Technologien wie KI und Automobilen hervorheben: Während Autos seit langem Teil des Alltags sind und ihre Funktionsweise allgemein bekannt ist, stellt KI für viele noch ein abstraktes und schwer fassbares Konzept dar, das sowohl Chancen als auch Unsicherheiten mit sich bringt. Scholz forderte deshalb eine konsequente Überwachung und Evaluierung innerhalb der EU.

Vizepräsident Vance indes warnte vor einer übermäßigen Regulierung der KI-Branche, um eine transformative Industrie nicht im Aufschwung zu ersticken. Auch er unterstrich die Bedeutung von Innovation und sprach sich gegen ideologische Voreingenommenheit in amerikanischen KI-Systemen aus. Zudem kritisierte er Bestrebungen einiger ausländischer Regierungen, US-Technologieunternehmen stärker zu regulieren, und bezeichnete solche Maßnahmen als Fehler. Die USA seien führend im Bereich der KI und wollen dies auch bleiben.

Insgesamt zielt der Gipfel darauf ab, internationale Kooperationen zu fördern, Investitionen in KI zu stärken und ethische sowie gesellschaftliche Leitlinien für den Umgang mit Künstlicher Intelligenz zu entwickeln. Auch Papst Franziskus hatte sich gemeldet und mit einer Botschaft aus dem Vatikan die Bedeutung der Wahrung der Menschenwürde im Kontext der KI-Entwicklung hervorgehoben. Er warnt vor den Risiken der Technologie und betont die Notwendigkeit klarer Kontrollmechanismen, um die menschliche Würde zu schützen.

Nochmal zurück zu den Autos: Nur weil wir nicht genau verstehen, wie sie funktionieren, setzen wir uns doch nicht für jede Fahrt voller Angst hinein. Wir haben gelernt, mit den Risiken umzugehen. Natürlich können Autos Verkehrsunfälle verursachen und sie sind auch nach wie vor eine Umweltbelastung. Moderne Autos sind technisch immer anspruchsvoller geworden mit ihren ganzen Assistenzsystemen, Sensoren, KI, Software-Updates usw… und viele, auch wir, verstehen diese Systeme nicht vollständig. Das kann zu Fehlbedienungen und Unfällen führen.

Trotzdem haben sie sich im Alltag bewährt und geben uns Mobilität und Unabhängigkeit. Viele Menschen lieben ihr Auto und sehen die Vorteile, anstatt sich permanent mit den Nachteilen zu beschäftigen. Ähnlich wird es uns mit der KI auch gehen, wir sehen ihre Vorteile ja schon jetzt, sonst würden wir nicht alle mit einem Smartphone herumlaufen. Wir werden lernen, mit KI umzugehen und sie für unsere Bedürfnisse zu nutzen – und die Technik in unserem Auto irgendwann hoffentlich auch, hier wäre ein richtig guter KI-Sprachassistent echt hilfreich.

So, das wars mal wieder für die Woche. Wir hoffen, unser weekly hat Ihnen gefallen und wünschen nun ein erholsames Wochenende. Der Frühling ist nicht mehr weit, und hier in San Diego regnet es auch. Es grüßen herzlich

der wöchentliche Newsletter zu aktuellen Entwicklungen zum Thema Diabetes und Technologie.

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Dieser Artikel erscheint als Teil des wöchentlichen Letters zu hochaktuellen Entwicklungen im Bereich Diabetes Technologie. Nutzen Sie das nebenstehende Formular um sich für den diatec weekly Newsletter anzumelden!

Mit freundlichen Grüßen