Die Studie „Treatment of BOoking Gestational Diabetes Mellitus (ToBOGM)“ soll Aufschluss darüber geben, ob Frauen mit Hyperglykämie in der Frühschwangerschaft behandelt werden sollten, um Komplikationen des GDM zu verhindern – oder ob eine frühere Behandlung das Risiko für andere Schwangerschaftskomplikationen erhöht. So war die grundlegende Hypothese der Studie, dass eine frühzeitige Behandlung von GDM die Folgen der mütterlichen Hyperglykämie (d. h. künftiger Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Bluthochdruck) verringert, ohne das Risiko einer fetalen Unterernährung zu erhöhen. Ein Aufschub der frühzeitigen Behandlung führt hingegen zu einer erhöhten Adipositas, die das Risiko für spätere Fettleibigkeit und Typ-2-Diabetes erhöht.
An dieser Studie nahmen 4.000 Frauen aus Indien, Österreich, Schweden und Australien im Alter von ≥18 Jahren mit Einlings-Schwangerschaften teil. Die Frauen waren zwischen der 4. und 19. Schwangerschaftswoche schwanger und wiesen einen Risikofaktor für Hyperglykämie in der Schwangerschaft auf (z. B. früherer GDM, BMI >30 kg/m2, Alter der Mutter ≥40 Jahre, Diabetes in der Familie usw.). Frauen mit vorbestehendem Diabetes oder schwerwiegenden medizinischen Problemen wurden aus der Studie ausgeschlossen.
Das Durchschnittsalter der Studienteilnehmerinnen lag bei 32 Jahren und die Schwangerschaft bei der ersten Untersuchung bei mittleren 14 Wochen. Etwa 40% der Teilnehmerinnen waren weiße Europäerinnen, 30% Südasiatinnen, 13% Ostasiatinnen, 6% kamen aus dem Nahen Osten, 6% waren Māori und Pazifikinsulanerinnen und 4% Sonstige (= Ureinwohnerinnen/Afrikanerinnen/ Südamerikanerinnen), insgesamt eine recht vielfältige und repräsentative Kohorte. Bei fast 50% der Teilnehmerinnen lag Diabetes in der Familie vor und 36% hatten in einer früheren Schwangerschaft bereits einen GDM. Der BMI lag bei der ersten Studienvisite bei 32 kg/m2 und der HbA1c-Wert beim ersten OGTT bei 5,2%. Nach Randomisierung lag die Verteilung einer Therapie mit Metformin in beiden Gruppen ähnlich, während in der Interventionsgruppe häufiger eine Insulin-Monotherapie durchgeführt wurde.
Bei den Teilnehmerinnen wurde vor der 20. Schwangerschaftswoche ein 2 h oraler Glucosetoleranztest (oGTT) mit 75 g Glucose durchgeführt und sie wurden nach den Vorgaben der Hypoglycemia and Adverse Pregnancy Outcome (HAPO)-Studiengruppe in einen niedrigeren und einen höheren Glykämiebereich stratifiziert. Die WHO-Diagnosekriterien für GDM aus dem Jahr 2013 wurden verwendet, um Frauen mit GDM auf der Grundlage der oGTT-Ergebnisse zu identifizieren: Nüchternglucose ≥92 mg/dL, und/oder 1-Stunden-Glucose ≥180 mg/dL, und/oder 2-Stunden-Glucose ≥153 mg/dL. Von den 3.681 Studienteilnehmerinnen wurden 802 mit GDM diagnostiziert, dies ist die eigentlichen Studiengruppe. Diese Frauen wurden randomisiert entweder in die Interventionsgruppe, die eine Frühbehandlung erhielt (n=406), oder in die Kontrollgruppe, die keine Behandlung erhielt (n=396). Die verbleibenden 2.879 Teilnehmerinnen mit einem normalen oGTT wurden ebenfalls randomisiert und entweder einer „Lockvogel“-Gruppe zugeordnet, die keine Behandlung erhielt (n=804), oder einer nicht aktiven Gruppe, in der das klinische Team und der Patientin über das normaler Testresultat informiert wurden und lediglich eine Überprüfung der Krankenakte vorgenommen wurde (n=2.011), oder nicht in die Analysen einbezogen (n=64).
Der primäre Endpunkt (ein aus mehreren Parametern zusammengesetztes Ergebnis) trat bei 25% der Teilnehmerinnen in der Interventionsgruppe auf, verglichen mit 31% der Teilnehmerinnen in der Kontrollgruppe. Keine signifikanten Unterschiede wurden für das zusammengesetzte Ergebnis der Hypertonie (Präeklampsie, Eklampsie, Schwangerschaftshypertonie) beobachtet, wobei 11% der Teilnehmerinnen der Interventionsgruppe und 10% der Teilnehmerinnen der Kontrollgruppe dieses Ergebnis erlebten. Es gab keine signifikanten Unterschiede bei den Raten für Geburten, wo die Kinder groß für das Gestationsalter (LGA) oder klein für das Gestationsalter (SGA). LGA-Geburten traten bei 17% der Interventionsgruppe und 20% der Kontrollgruppe auf, während SGA-Geburten bei 12% der Interventionsgruppe und 9% der Kontrollgruppe auftraten. Bemerkenswert ist, dass eine frühzeitige Behandlung des GDM zu einer 77%igen Verringerung der Dammverletzungen führte.
Insgesamt ergab die ToBOGM-Studie, dass eine frühzeitige Behandlung von GDM (d.h. vor der 20. Schwangerschaftswoche) zu einer signifikanten Verringerung der negativen Folgen von GDM um 18% für das Neugeborene führte, im Vergleich zu denjenigen, die erst später oder gar nicht behandelt wurden. Ausgewertet wurde hierfür relative Risikoreduktion für das primäre zusammengesetzte Neugeborenen-Ergebnis, das aus Frühgeburt (<37 Schwangerschafts¬woche), Geburtsgewicht ≥4.500 g, Geburtstrauma, neonataler Atemnot, Notwendigkeit einer Phototherapie, Totgeburt/neonataler Tod und/oder Schulterdystokie bestand. Es wurden keine signifikanten Unterschiede bei schwangerschaftsbedingtem Bluthochdruck oder dem neonatalen Körpermasse festgestellt.
In Anbetracht der Tatsache, dass es bisher keinen Konsens über die Diagnose und Behandlung von GDM gibt, legt diese Studie den Grundstein für künftige Forschungen zur Optimierung des GDM-Managements, was letztlich die mütterlichen und fetalen Ergebnisse verbessern wird. Es gibt bzw. gab einen Mangel an Nachweisen aus RCTs zum Nutzen und Schaden der Diagnose und Behandlung von GDM im Frühstadium der Schwangerschaft. Dies führt zu erheblichen Unterschieden in den Empfehlungen zwischen den verschiedenen Fachgesellschaften für die Screening-Praxis für GDM in der Frühschwangerschaft, gepaart mit unterschiedlichen Diagnosekriterien.
So empfiehlt der Konsensbericht des National Institutes for Health (NIH) in USA von 2013 ein Screening auf Diabetes (nicht auf GDM), während die Australian Diabetes in Pregnancy Society (ADIPS) ein Screening sowohl auf Diabetes als auch auf GDM bei Personen mit Risikofaktoren empfiehlt, die neuseeländischen Leitlinien von 2014 empfehlen ein universelles Screening mit HbA1c-Messung bei <20 Wochen. 68% der Leitlinien empfehlen ein Screening auf GDM vor der 24. Schwangerschaftswoche, wobei Risikofaktoren berücksichtigt werden sollen.
Das gebräuchlichste Screening-Instrument ist der Nüchtern-Plasmaglukose-Test (FPG), der in den IADPSG/WHO-Kriterien von 2013 beschrieben wird. Während höhere FPG- und HbA1c-Werte in der Frühschwangerschaft dazu beitragen, Menschen mit Risikofaktoren und ungünstigeren Folgen zu identifizieren, sind große RCTs erforderlich, um zu belegen, ob ein frühes Screening und eine Behandlung des GDM von Vorteil sind. Darüber hinaus bleiben wichtige Fragen über die Art des Screenings (selektiv oder universell) und die zu verwendenden Diagnosekriterien offen.
Fazit: An dieser Studie haben nur Frauen mit Risikofaktoren teilgenommen, daher können die Ergebnisse nicht auf alle schwangeren Frauen generalisiert werden. Diese Studie liefert aber ausreichend Gründe zur Motivation für schwangere Frauen, sich auf GDM untersuchen zu lassen. Für die Sicherheit von Frauen, eine unbelastete Schwangerschaft zu erleben und für die Babys, gesund auf die Welt zu kommen wäre es wünschenswert, wenn es endlich einen Konsens zur Behandlung von Gestationsdiabetes gäbe, mit international anerkannten Standards. In Deutschland gibt es dazu immerhin das GDM-Register GestDiab, ein winDiab-Projekt.
- Simmons D, Immanuel J, Hague WM, Teede H, Nolan CJ, Peek MJ, et al. Treatment of Gestational Diabetes Mellitus Diagnosed Early in Pregnancy. N Engl J Med. 2023;388(23):2132-44. Epub 20230505. doi: 10.1056/NEJMoa2214956. PubMed PMID: 37144983.
diatec weekly – Juli 7, 23
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