Welche Note würden Sie der deutschen Gesundheitspolitik für diese Legislaturperiode geben?
Drei plus bis Zwei. Wir haben vieles angestoßen bei Digitalisierung, Pflege und der Verbesserung der Versorgungsstrukturen, vieles ist wegen der Pandemie aber auch auf der Strecke geblieben.
Stehen wir bei der Digitalisierung im Jahr 2021 besser da als vor vier Jahren?
Wir haben vor allem Druck aufgebaut. Der Gesundheitsbereich steckt im Vergleich zu anderen Politikfeldern digital noch in den Kinderschuhen. Durch die Pandemie haben wir hier an Fahrt zugelegt, etwa bei den Apps, dem elektronischen Rezept und der elektronischen Patientenakte. Wir sind jetzt auf dem Weg.
Gesundheitspolitik ist weitgehend Aufgabe der Länder. Wo braucht es mehr Einheitlichkeit, wo sollte der Bund mehr mitreden?
Mehr Einheitlichkeit ist eine Lehre aus der Corona-Pandemie. Die Gesundheitsämter werden kommunal geführt und fristeten vor Corona eher ein Schattendasein. Die Ämter brauchen bundesweiten Austausch und auch die Daten müssen fließen. Mehr Einheitlichkeit brauchen wir zweitens bei den Versorgungsstrukturen. Die Länder sind für die Investitionen zuständig, der Bund über die Krankenkassen für die Finanzierung. Ziel muss sein, die beiden Finanzierungsströme patientengerechter zu steuern.
Wer muss sich mehr bewegen, der Bund oder die Länder?
Beide. Wir müssen zu regionalen Versorgungsnetzwerken kommen, in denen ambulanter und stationärer Bereich zusammenarbeiten. Es gibt zwar tolle Modellprojekte, wir bekommen sie aber nicht in die Fläche. Nach der Wahl müssen Bund und Länder über die Finanzierungsströme reden.
Was sind für Sie die zentralen Aufgaben der nächsten Legislaturperiode?
Es geht um drei Baustellen: Erstens Digitalisierung. Das Potenzial ist enorm, ebenso der Aufholbedarf. Die Nachfrage nach digitalen Tools wächst ständig. Zweitens: Gesundheitsforschung. Wie können Daten helfen und wie machen wir Daten so sicher, dass wir mit ihnen gute Ergebnisse für die Qualität der Versorgung bekommen? Die dritte Baustelle ist die Pflege: Wie verbessern wir die Arbeitsbedingungen, kommen zu besseren Löhnen und schaffen es, die Eigenanteile zu deckeln?
Was ist das größere Problem: Der Geld- oder der Fachkräftemangel?
Die zentrale Frage wird sein, wie wir Daseinsvorsorge und gesundheitliche Versorgung in Zukunft gemeinsam finanzieren. In der Pflege stehen wir vor dem Problem, dass kaum noch junge Leute in den Beruf wollen. Pflege muss attraktiver werden.
In welche Richtung wird sich das Verhältnis von Staat, Selbstverwaltung und Leistungserbringern
entwickeln?
Wir brauchen alle Akteure, ihre Kooperation und gemeinsame evidenzbasierte Erfolgs- und Qualitätskriterien. Eine verlässliche Gesundheitsversorgung muss vor Ort im ländlichen Raum gewährleistet werden und nicht nur in den Ballungsgebieten.
Haben Sie eine Vision für das Jahr 2025: Wo steht die deutsche Gesundheitspolitik?
Wir haben 2025 viel geschafft, wenn wir die Finanzierung über eine Bürgerversicherung auf eine breitere Basis aufstellen, die Sektoren so aufbrechen, dass sie gut zusammenarbeiten und Versorgungsnetzwerke entstehen lassen und Digitalisierung uns dabei unterstützt, effizienter zu werden.
Quelle: hih (health innovation hub) des BMG
DiaTec weekly – September 3, 21
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