Bei der täglichen Insulintherapie müssen Patienten viele Faktoren berücksichtigen, um eine optimale Insulindosierung in Bezug auf ihren aktuellen Bedarf adäquat festzulegen. Die Variabilität des Insulinbedarfs im Zusammenhang mit chemischen, physikalischen und lebensstilbedingten Einflüssen kann durch eine kontinuierliche Überwachung des „wahren“ Insulinverlaufs im Körper erfasst werden. Systeme für eine automatische Anpassung der Insulinzufuhr an den aktuellen Bedarf (AID-Systeme) sind deshalb so „erfolgreich“ im Sinne einer erheblichen Verbesserung der Glucosekontrolle, weil sie permanent die Insulinzufuhr an den variablen Bedarf anpassen. Wenn es möglich wäre, durch Echtzeit-Insulinmessungen den Verlauf der Insulinkonzentration im Blut während der Insulintherapie zu überwachen, dann könnte die optimale Insulindosierung noch besser gesteuert werden. Dies ist eine wichtige Option für die Zukunft von AID-Systemen.
In der Fachzeitschrift „Nature reviews endocrinology“ wurde aktuell in einer Übersichtsarbeit der Stand der Dinge bei der Entwicklung von CIM-Systemen zusammengefasst [1]. Noch gibt es keine konkreten Produkte für CIM, doch sollten diese verfügbar werden, könnte damit der „missing link“ in der Diabetes-Therapie geschlossen werden.
Bisher werden Insulinkonzentrationen mit Hilfe von radioimmunologischen oder ELISA-Methoden in Serum- oder Plasmaproben gemessen. Die Ergebnisse solcher Messungen stehen nicht in Echtzeit zur Verfügung und eine sofortige Korrektur zur Handhabung unvorhergesehener Ereignisse, z.B. körperliche Aktivität, ist nicht möglich. CIM-Systeme würden den behandelnden Diabetologen und vor allem den Patienten, in die Lage versetzen, neben der Information über den Glukoseverlauf auch die wechselnden Insulinkonzentrationsprofile als eine weitere wichtige Informationsquelle zu berücksichtigen, eine weitere Option, um akute Glucose-Entgleisungen zu vermeiden und eine optimale Glucosekontrolle über lange Zeiträume auch bei stark wechselnden Lebensbedingungen zu erreichen. Ein CIM-System würde es zudem ermöglichen, die Wirkungsprofile der verschiedenen Insuline sowie deren Applikationswege bei den Nutzern im Alltag zu evaluieren – und das nicht nur unter experimentellen Bedingungen mit der Glucose-Clamp-Technik. Auch der Einfluss von anderen Faktoren wie z.B. Hitze auf die Insulinwirkung könnte gezielt evaluiert werden. Solche Informationen würden helfen die bestehenden Therapien weiter zu verbessern, auch im Sinne einer optimalen persönlichen Glucosekontrolle („personalized medicine“).
Ein wichtiger Zwischenschritt wäre, zuverlässige Insulinkonzentrationsmessungen durch Point-of-Care-Systeme in Praxen oder Krankenhäusern oder auch vom Patienten selbst unter häuslichen Bedingungen zu vertretbaren Preisen und Handhabungsaufwand zur Hand zu haben. Point-of-Care-Insulinmessungen könnten bei klinischen Fragestellungen wie Insulinom-Diagnostik oder auf der Intensivstation hilfreich sein, rasche Diagnosen zu stellen.
Fazit: Es sind vielversprechende Technologien für Insulinmessungen mit Einwegteststreifen, mobilen Systemen und tragbare Echtzeit-Insulinmessgeräten in der Entwicklung. In der Publikation werden diese Technologien vorgestellt, allerdings nicht im Detail und ohne Aussagen zu deren Entwicklungsstand. Wann und ob eine kontinuierliche Überwachung von Insulinkonzentrationen möglich wird, ist schwierig zu sagen, vollintegrierte, multisensor-gesteuerte AID-Systeme, die ein CIM mit an Bord haben, sind daher noch Zukunftsmusik.
- Vargas E, Nandhakumar P, Ding S, Saha T, Wang J. Insulin detection in diabetes mellitus: challenges and new prospects. Nat Rev Endocrinol. 2023:1-9. Epub 20230522. doi: 10.1038/s41574-023-00842-3. PubMed PMID: 37217746; PubMed Central PMCID: PMCPMC10202074.
diatec weekly – Juni 16, 23
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