Bei der Produktentwicklung von technischen Systemen zur Diabetestherapie gibt es zahlreiche Faktoren, die notwendig sind, um Entscheidungen darüber treffen, wie die Spezifikationen aussehen sollen, damit das Produkt am Markt erfolgreich sein wird und eine hohe Akzeptanz bei Diabetes- Patienten erreicht. Dabei ist es alles anderes als trivial zu verstehen und zu bewerten, inwieweit Patienten und ihre sehr unterschiedlichen Interessen bei diesen Entwicklungsprozessen eine Rolle spielen. Wie aber kann ein Unternehmen die Ansichten der Patienten kennenlernen?
Wenn ein Produkt bereit auf dem Markt ist, werden Patienten ihre Ansichten, Bedenken oder auch ihren Ärger über die Hotline des Anbieters kundtun. Es ist aber nicht öffentlich bekannt, inwieweit Unternehmen dieses Feedback der Kunden ernst nehmen, es geeignet analysieren und welche Rückschlüsse dies auf ihre Entwicklungsentscheidungen hat. Auch wissen wir nichts über die Kommunikation zwischen den verschiedenen Abteilungen in einem Unternehmen, d.h. zwischen denjenigen, die für die Patientenkommunikation zuständig sind, und denen, die neue Entwicklungen vorantreiben. Viele Unternehmen haben Patientenbeiräte, um so Zugang zu Patientenmeinungen zu erhalten. Es ist jedoch erneut schwierig zu beurteilen, ob und inwieweit die Unternehmen auf die „Patientenstimme(n)“ hören.
In den USA fordert die FDA als Zulassungsbehörde jeden Hersteller auf, Human-Faktor-Studien als wesentlichen Bestandteil des klinischen Entwicklungsprozesses eines neuen Medizinprodukts durchzuführen. Diese Studien evaluieren, ob und wie Patienten mit einem neuen Produkt umgehen und ob sie es geeignet verwenden können. Aber auch hier sind wir etwas spät im Spiel, wenn es darum geht, ein neues Produkt zu entwerfen und welche Funktionen es bieten sollte.
Natürlich haben die sozialen Medien und das Internet die Rolle der Patienten in den letzten Jahrzehnten drastisch verändert. Wenn ein Produkt ein Problem aufweist, wird dies einen Einfluss auf die Nutzerentscheidungen haben. Hersteller überwachen die entsprechenden Diskussionen in den digitalen Medien deshalb sorgfältig. Auch mit ihren Diabetes-Teams kommunizieren Patienten über ihre Erfahrungen.
Trotzdem scheinen manche Unternehmen eher das zu tun, was für sie das Beste ist – und nicht unbedingt das der Patienten. Natürlich ist es verständlich, dass der Bereich der Erwartungen der Patienten weit und nicht einfach abzudecken ist, was möglicherweise auch zusätzliche Entwicklungsanstrengungen erfordert. Gerade Minderheiten-Gruppen sollten jedoch die Möglichkeit haben, ihre Wünsche und Bedürfnisse offen zu äußern, damit diese bei der Produktentwicklung Gehör finden. Lassen Sie uns einige Gruppen auflisten, um zu verdeutlichen, dass im Endeffekt ausgesprochen viele Patienten einer oder mehreren dieser Minderheiten-Gruppen angehören: Kinder und Jugendliche, Frauen während der Schwangerschaft, ältere Patienten, Patienten mit eingeschränktem Sehvermögen, blinde Patienten, Patienten mit eingeschränkter Geschicklichkeit oder Rechenvermögen usw. – diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Welche Faktoren aber lösen bei den Herstellerfirmen überhaupt Reaktionen in Hinsicht auf bestimmte Produkteigenschaften aus? Umgang mit der Technologie wäre da zu nennen, aber auch die Bedienung der Systeme, deren Größe und Zuverlässigkeit. Aber auch andere Aspekte, die unmittelbar nichts mit dem eigentlichen Produkt zu tun haben, gewinnen zunehmend an Bedeutung und sollten von den Firmen registriert werden. So hat beispielsweise die Zahl der Patienten, die sich über die Müllmenge beschweren, die bei der Verwendung von Produkten der Diabetes-Technologie anfällt, in den letzten Jahren drastisch zugenommen, abhängig natürlich von der Sensibilität für dieses Thema in einem bestimmten Land oder Region.
Fazit: Es gibt zu unserer Kenntnis kein öffentliches Forum, in dem Patienten ihre Wünsche, Meinungen oder Bedenken gezielt an die Industrie äußern können und so Diskussionen initiieren oder begleiten können, damit ihre Stimme ein Gewicht bekommt. Wenn aber für die Patienten bestimmte Aspekte der Medizinprodukte so wichtig sind, dass Patienten deshalb auf ein anderes Produkt umsteigen, wird dies Auswirkungen auf die Märkte haben, wobei dann möglicherweise niemand weiß, warum eigentlich…
DiaTec weekly – April 16, 21
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Mit freundlichen Grüßen
Human-Faktor-Studien
Liebe Heinemanns, dieser Artikel und dies Konzept spricht mich voll an.
Das ist doch der Grund warum wir Medizin/Diabetologie machen. Wir wollenMenschen/Diabetikern helfen mit ihrem Leben/ihrem Diabetes besser zurecht zu kommen.
Wer weiß Bescheid?
Der, der diesen blöden Diabetes 24/7 mit sich trägt. Bin selbst seit 56 Jahren T1.