Mehrere aktuelle Studien belegen, dass AID-Systeme die Glucosekontrolle bei schwangeren Frauen mit Typ-1-Diabetes (T1D) verbessern können. Doch welches System schneidet im direkten Vergleich am besten ab? Eine spanische Kohortenstudie liefert nun erste Hinweise. Es wurden gleich mehrere Präsentationen zur Nutzung von AID-Systemen während der Schwangerschaft vorgestellt – einem Einsatzgebiet, das zunehmend in den Fokus rückt. Frühere randomisierte Studien hatten bereits gezeigt, dass sich die Glucosekontrolle schwangerer Frauen mit T1D durch AID-Systeme verbessern lässt. Bisher fehlten jedoch direkte Vergleichsdaten zwischen den einzelnen Systemen.
- Quiros (OP47-260) präsentierte nun Ergebnisse einer multizentrischen, prospektiven Beobachtungsstudie aus Spanien, in der 137 schwangere Frauen mit T1D aus 27 Kliniken untersucht wurden. Ziel war der Vergleich von Glucosekontrolle und Schwangerschaftsergebnissen bei Nutzung von drei modernen AID-Systemen:
- MiniMed 780G (n = 85; 62 %)
- CamAPS FX (n = 38; 27,7 %)
- Tandem Control-IQ (n = 14; 10,2 %)
Analysiert wurden Parameter zur mütterlichen Glucosekontrolle – HbA1c sowie die Zeit im, unterhalb und oberhalb des schwangerschaftsspezifischen Zielbereichs (TIRp, TBRp, TARp; 3,5–7,8 mmol/l) – und die perinatalen Outcomes.
Hier die Ergebnisse: Im dritten Trimester zeigten sowohl CamAPS FX- als auch Control-IQ-Anwenderinnen signifikante Senkungen des HbA1c im Vergleich zu MiniMed 780G:
- CamAPS FX: –0,40 % (95 %-KI –0,62 bis –0,18; p = 0,001)
- Control-IQ: –0,37 % (95 %-KI –0,71 bis –0,02; p = 0,037)
CamAPS FX erzielte die deutlichste HbA1c-Reduktion, während MiniMed 780G durch einen niedrigeren Anteil an Zeit unterhalb des Zielbereichs (TBRp) auffiel. Hinsichtlich der Geburtsoutcomes zeigten sich CamAPS FX und Control-IQ im Vorteil:
Beide Systeme waren im Vergleich zu MiniMed 780G mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit für übergroße Neugeborene (Large for Gestational Age, LGA) assoziiert (CamAPS FX: OR 0,24; 95 %-KI 0,08–0,72 / Control-IQ: OR 0,10; 95 %-KI 0,01–0,97).
Fazit: In dieser ersten direkten Vergleichsstudie zeigten CamAPS FX und Control-IQ gegenüber MiniMed 780G eine bessere Glucosekontrolle während der gesamten Schwangerschaft und waren zudem mit einem geringeren Geburtsgewicht der Neugeborenen verbunden. Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung einer individuellen Systemwahl – gerade in der Schwangerschaft, wo glykämische Stabilität für Mutter und Kind entscheidend ist.
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Gleich gute Ergebnisse für Frauen und Männer mit dem MiniMed™ 780G-System
Frauen mit T1D stehen während ihres Lebens immer wieder vor hormonell bedingten Herausforderungen, die eine stabile Glucosekontrolle erschweren. Zyklus, Schwangerschaft und Menopause können das Glucoseprofil stark beeinflussen – und in der Vergangenheit war die Wahrscheinlichkeit geringer, dass Frauen ihre Glucoseziele erreichten.
- Elhenawy (SO081-891) präsentierte beim EASD nun eine umfangreiche Real-World-Analyse, die untersuchte, ob sich die Leistung des MiniMed™ 780G-Systems zwischen Frauen und Männern unterscheidet – und ob hormonelle Lebensphasen bei Frauen einen Einfluss haben.
Für die Auswertung wurden CareLink-Daten aus dem Zeitraum vom 1. September 2023 bis 31. August 2024 herangezogen. Eingeschlossen waren 258.647 Nutzerinnen und Nutzer des AID-Systems, darunter 134.497 Frauen und 124.150 Männer mit T1D. Die Analyse erfolgte nach selbst angegebenem Geschlecht und unterteilter Altersgruppe:
- (Vor-)Pubertät ≤15 Jahre
- Jugendliche / junge Erwachsene 16–28 Jahre
- Gebärfähiges Alter 29–42 Jahre
- Perimenopausales Alter 43–55 Jahre
- Postmenopausales Alter >55 Jahre
Bewertet wurden die Zeit in den glykämischen Bereichen 70–140 mg/dl (TING), 70–180 mg/dl (TIR), <70 mg/dl (TBR70), <54 mg/dl (TBR54), >180 mg/dl (TAR180) und >250 mg/dl (TAR250). Zusätzlich wurden Insulinabgabe, Kohlenhydrataufnahme, Anzahl der manuell abgegebenen Boli und die tägliche Gesamtinsulindosis (TDD) erfasst.
Die Ergebnisse: Insgesamt zeigte sich kein geschlechtsspezifischer Unterschied in der Glucosekontrolle: Die durchschnittliche TIR lag bei Frauen und Männern jeweils bei 72,3 % (Frauen ±11,2 %; Männer ±11,5 %). Auch wurden in keiner Altersgruppe signifikante Unterschiede beobachtet:
- (Vor-)Pubertät ≤15 Jahre: 71,7 % (F) vs. 71,8 % (M)
- 16–28 Jahre: 69,3 % (F) vs. 67,9 % (M)
- 29–42 Jahre: 72,5 % (F) vs. 71,7 % (M)
- 43–55 Jahre: 73,4 % (F) vs. 73,7 % (M)
- 55 Jahre: 75,9 % (F) vs. 77,0 % (M)
Wie erwartet, erreichten ältere Anwenderinnen und Anwender beider Geschlechter eine höhere TIR als jüngere. Die Kohlenhydratangaben und die Gesamtinsulindosis waren bei Männern in allen Altersgruppen etwas höher. Die Zahl der selbst abgegebenen Boli war bei Frauen geringfügig niedriger (im Mittel 4,4–5,0 pro Tag), was auf geringfügige Unterschiede im Insulinbedarf und in der Mahlzeitenfrequenz hinweisen könnte.
Fazit: Die Analyse zeigt: Trotz kleiner Unterschiede bei Insulindosis und Kohlenhydrataufnahme erzielen Frauen und Männer in allen Altersgruppen mit dem MiniMed™ 780G-System vergleichbare Glucoseergebnisse. Die Automatisierung der Insulingabe scheint somit geschlechtsspezifische Unterschiede in der Glucosekontrolle effektiv auszugleichen – und unterstützt Frauen mit T1D in allen hormonellen Lebensphasen, von der Vorpubertät bis zur Menopause, bei der Erreichung ihrer Therapiezielwerte.
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AID-Systeme nach totaler Pankreatektomie – sicher und wirksam
Diabetes nach einer totalen Duodeno-Pankreatektomie (TP) gilt als besonders schwierig zu behandeln. Aufgrund des vollständigen Verlusts der endokrinen und exokrinen Pankreasfunktion ist die Glucosekontrolle instabil und das Risiko für schwere Hypoglykämien hoch. Eine aktuelle Untersuchung zeigt nun, dass der Einsatz von AID-Systemen in dieser Patientengruppe eine stabile und sichere Glucoseeinstellung ermöglichen kann.
- Larroumet (SO078–865) stellte beim EASD-Daten von 23 Patientinnen und Patienten vor, die sich einer totalen Pankreatektomie unterzogen hatten und anschließend ein AID-System nutzten – anstelle der konventionellen Therapie mit mehreren täglichen Insulininjektionen (MDI) und CGM.
Von den Teilnehmenden (12 Frauen und 11 Männer, mittleres Alter 69,5±9,3 Jahre) hatten 16 Personen (49 %) vor der Operation keinen Diabetes. Eingesetzt wurden drei verschiedene AID-Systeme: MiniMed 780G SmartGuard (n = 7), Ypsopump CamAPS FX (n = 3) und Omnipod 5 SmartAdjust (n = 13). Die Systeme wurden in der Diabetologie eines Universitätsklinikums gestartet, anschließend erfolgten Nachsorgetermine nach 30 und 90 Tagen.
Erfasst wurden Veränderungen bei HbA1c, Glucose Management Indicator (GMI), Time in Range (TIR, 70–180 mg/dl), Time Below Range (TBR <70 mg/dl), Time Above Range (TAR >180 mg/dl) sowie der Glucosevariabilität (CV). Die Nachbeobachtungszeit betrug im Median 131 Tage (175,6±125 Tage). Die Ergebnisse: Bereits nach 90 Tagen zeigte sich eine deutliche Verbesserung der Glucosekontrolle und auch bei der letzten Untersuchung (nach etwa vier Monaten) blieben die Werte stabil:
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Bei Systemstart |
Nach 90 Tagen |
Nach vier Monaten |
HbA1c |
6,9 ± 1,2 % |
6,9 ± 0,6 % |
7,0 ± 0,5 % |
GMI |
7,9 ± 0,9 % |
7,0 ± 0,3 % |
7,0 ± 0,3 % |
TIR |
53,2 ± 17,4 % |
72,5 ± 8,5 % |
72,9 ± 8 % |
TBR |
1,8 ± 2,5 % |
1,3 ± 1,2 % |
1,0 ± 0,9 % |
TAR 180 – 250 mg/dl |
24,7 ± 7,8 % |
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TAR >250 mg/dl |
22,3 ± 14,5 % |
5,2 ± 3,3 % |
4,8 ± 2,6 % |
CV |
38,1 ± 5,3 % |
34,1 ± 6,6 % |
32,8 ± 4,6 % |
Fazit: Keine der 23 Personen erlitt während der AID-Nutzung eine schwere Hypoglykämie oder benötigte eine außerplanmäßige ärztliche Intervention. Die Ergebnisse zeigen eindrücklich, dass der Einsatz eines AID-Systems nach totaler Pankreatektomie eine sichere, stabile und nachhaltige Glucosekontrolle ermöglicht – selbst in dieser komplexen Patientengruppe. Angesichts der steigenden Zahl an Pankreatektomien eröffnet dieser Ansatz eine neue therapeutische Option für Betroffene. Eine langfristige Nachbeobachtung bleibt jedoch erforderlich, um die Wirksamkeit und Sicherheit über längere Zeiträume hinweg zu bestätigen.
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AID-Systeme bei chronischer Nierenerkrankung – sicher und überlegen
Chronische Nierenerkrankungen (CKD) erschweren die Insulindosierung und führen häufig zu einer instabilen Glucosekontrolle. Eine multizentrische Studie untersuchte nun, ob der Einsatz eines AID-Systems auch bei dieser komplexen Patientengruppe sicher und wirksam ist – mit überzeugenden Ergebnissen.
J.C. Lu (SO083-906) stellte beim EASD die Ergebnisse einer multizentrischen, randomisierten Crossover-Studie vor. Eingeschlossen waren Erwachsene mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes, die eine chronische Nierenerkrankung (CKD) ab Stadium 3b aufwiesen und bislang mit mehreren täglichen Insulininjektionen (MDI) behandelt wurden.
Die Teilnehmenden wurden randomisiert zunächst einer 8-wöchigen Phase mit CGM + MDI (Medtronic Guardian 4) oder mit AID (MiniMed 780G) zugewiesen und anschließend auf die jeweils andere Therapie umgestellt. Für die AID-Phase wurde die Insulinwirkzeit (IAT) zunächst auf 4 Stunden bei einem Zielwert von 6,7 mmol/l eingestellt. Je nach klinischer Beurteilung konnten Zielwert und Automatikfunktionen (z. B. Auto-Bolus) angepasst bzw. aktiviert werden.
An der Studie nahmen 30 Personen teil (17 mit T1D, 13 mit T2D): Medianes Alter: 61 Jahre (IQR 56–69), HbA1c: 8,6 % (IQR 7,5–9,1) = 70 mmol/mol (58–76), Gesamtinsulindosis: 0,6 E/kg/Tag (IQR 0,45–0,82), eGFR: 31 ml/min/1,73 m² (IQR 24–36).
Von den Teilnehmenden wurden 27 nicht dialysiert. Eine Person befand sich in Peritonealdialyse, zwei in Hämodialyse. Begleiterkrankungen waren häufig: Retinopathie (63 %), Neuropathie (43 %), Koronare Herzerkrankung (37 %)
Ergebnisse: Die Nutzung des MiniMed 780G-Systems führte im Vergleich zu MDI zu signifikanten Verbesserungen nahezu aller CGM-Parameter. Die Dialysepatienten erzielten dabei ähnliche Ergebnisse wie die Gesamtgruppe. Weder schwerwiegende unerwünschte Ereignisse noch gerätebedingte Komplikationen wurden berichtet.
Fazit: Der Einsatz eines AID-Systems bei Menschen mit Diabetes und fortgeschrittener CKD ist praktikabel, sicher und bietet eine überlegene Glucosekontrolle im Vergleich zu MDI. Diese Ergebnisse unterstreichen, dass auch bei komplexen Begleiterkrankungen wie CKD die automatisierte Insulinabgabe eine wertvolle Therapieoption darstellen kann – ohne Sicherheitsrisiko.
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MiniMed 780G bei Kleinkindern – stabile Glucosekontrolle über 30 Wochen
Automatisierte Insulindosierung (AID) findet zunehmend auch bei sehr jungen Kindern Anwendung. Die LENNY-Studie hat gezeigt, dass das MiniMed 780G-System (MM780G) bereits für Kinder zwischen 2 und 6 Jahren sicher und wirksam ist. Nun liegen Daten aus der Verlängerungsphase der Studie vor, die die Nachhaltigkeit dieser Effekte und den Einsatz eines neuen Sensors mit vereinfachtem Design bewerten.
- Dovc (OP09-49) präsentierte auf dem EASD die Ergebnisse der 30-wöchigen Verlängerungsphase der prospektiven, offenen, randomisierten und kontrollierten Crossover-Studie LENNY. Ziel war es, die langfristige Wirksamkeit des MM780G-Systems mit Guardian 4-Sensor (G4S) zu überprüfen und die Leistung eines neuen All-in-One-Sensors (Simplera Sync, SiS) zu bewerten.
Alle Kinder im Alter von 2–6 Jahren mit einer täglichen Gesamtinsulindosis >6 IE nutzten zunächst 18 Wochen lang das MM780G mit G4S im Automatikmodus (Zeitraum 1). Anschließend wurden sie randomisiert entweder
- Zur weiteren Nutzung von MM780G + G4S, oder
- Zum Wechsel auf MM780G + SiS für weitere 12 Wochen (Zeitraum 2).
Der primäre Endpunkt war der Unterschied im mittleren HbA1c zwischen den Gruppen am Ende der 12-Wochen-Phase. Weitere Endpunkte betrafen Glucosekontrolle, Sicherheit und Patient-Reported Outcomes (PROs).
An der Verlängerungsphase nahmen 95 Kinder teil, von denen 91 randomisiert wurden (46 MM780G/G4S | 45 MM780G/SiS). Mit einer Ausnahme schlossen alle die Studie ab. Das Durchschnittsalter lag bei 4,7±1,2 Jahre, der Anteil an Mädchen bei 49,5 %.
Nach den ersten 18 Wochen lag der mittlere HbA1c bei 7,2±0,6 %, die TIR bei 68,7±7,4 %und die TBR bei 4,4±2 %.
Nach weiteren 12 Wochen:
- HbA1c: 7,2±0,6 % (G4S) vs. 7,3±0,5 % (SiS)
→ Nichtunterlegenheit bestätigt (Δ = 0,1 %; 95 % KI –0,03 bis 0,31) - TIR: 68,9±8,6 % (G4S) vs. 69,7±7,7 % (SiS)
→ Nichtunterlegenheit ebenfalls bestätigt (Δ = 1,17 %; 95 % KI –0,04 bis 2,38)
Während der gesamten 30-wöchigen Studie traten zwei schwere Hypoglykämien (SHE), aber keine Fälle von diabetischer Ketoazidose (DKA) auf.
Fazit: Die Verlängerungsphase der LENNY-Studie zeigt, dass das MiniMed 780G-System bei Kleinkindern im Alter von 2 bis 6 Jahren mit einem täglichen Insulinbedarf >6 Einheiten über mehr als 7 Monate hinweg eine stabile und sichere Glucosekontrolle ermöglicht. Der Einsatz des neuen Simplera Sync-Sensors bestätigte dabei eine gleichwertige Wirksamkeit gegenüber dem Guardian 4-Sensor – bei unverändert hoher Sicherheit und Therapiequalität.
Gesamtfazit: Die diesjährigen EASD-Daten zeigen eindrucksvoll, dass sich AID-Systeme zunehmend in der Breite bewähren – vom Kleinkind bis zur älteren Person mit Komorbiditäten. Ob bei Schwangerschaft, nach Pankreatektomie, mit CKD oder in hormonellen Übergangsphasen:
Automatisierte Insulindosierung wird zum neuen Versorgungsstandard.
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