Die Atmosphäre beim diesjährigen Kongress der Amerikanischen Diabetes-Gesellschaft (ADA) in Chicago war spürbar positiver als im Vorjahr in Orlando, Florida. Das spiegelte sich jedoch nicht in der Zahl der Teilnehmenden vor Ort wider: Mit rund 7.500 Besuchern lag sie deutlich unter dem Niveau früherer Jahre – insbesondere im Vergleich zur Zeit vor der Corona-Pandemie. Der ADA-Kongress findet zudem nicht mehr als Hybridveranstaltung statt; eine Live-Übertragung gab es nicht. Immerhin konnten rund 200 Sessions im Nachgang online abgerufen werden – etwa 1.300 Personen nutzten dieses Angebot.
Der deutliche Rückgang der Teilnehmerzahlen lässt sich auch dahingehend deuten, dass der ADA sich zunehmend wieder zu einem überwiegend amerikanischen Kongress entwickelt – und damit weniger international geprägt ist als in den Jahren zuvor.
Im Bereich Diabetes-Technologie gab es durchaus relevante Beiträge, wenngleich kaum bahnbrechende Neuerungen. Diskutiert wurden unter anderem bekannte Themen wie der Einsatz von AID-Systemen bei Menschen mit Typ-2-Diabetes, die Nutzung von CGM zur Diagnostik, Biofeedback, technologisch bedingter Distress sowie Versorgungsunterbrechungen bei CGM. Bemerkenswert: Die Ausstellungsstände der CGM-Hersteller sind mittlerweile größer als die der Pharmafirmen.
Zu den „Hot Topics“ des diesjährigen ADA-Kongresses zählten GLP-1-Rezeptoragonisten, Beta-Zellersatzverfahren und andere pharmakologische Therapieoptionen. Die große Aufmerksamkeit für diese Themen führte dazu, dass die entsprechenden Vortragssäle deutlich zu klein dimensioniert waren – mit überfüllten Räumen und langen Warteschlangen vor den Türen, was für erheblichen Unmut sorgte. Offenbar hat die Gewichtsreduktion derzeit einen höheren Stellenwert als die Senkung des HbA1c-Wertes – entsprechend war die Insulin-Session nur mäßig besucht.
Die vergleichsweise geringe Präsenz der Diabetes-Technologie – ein Phänomen, das sich auch beim EASD beobachten lässt – scheint dem ADA bewusst zu sein, denn als Reaktion darauf wurde eine Partnerschaft mit der Diabetes Technology Society (DTS) geschlossen, die von David Klonoff aus San Francisco geleitet wird. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit engagiert sich die ADA nun auch aktiv beim Diabetes Technology Meeting, das im Oktober erneut in Kalifornien stattfinden wird.
Mit dieser Kooperation dürfte die ADA gezielt von der Innovationskraft der DTS profitieren wollen. Da Technologien künftig eine immer größere Rolle in der Diabetes-Therapie spielen werden, ist es auch für die ADA unerlässlich, dieses Thema stärker zu berücksichtigen. Je weniger Raum die Technologie in den wissenschaftlichen Sessions des Kongresses erhält, desto sichtbarer muss das Engagement beim DTM ausfallen.
Einblicke in relevante Präsentationen zur Diabetes-Technologie beim ADA-Kongress
In den vergangenen zehn Jahren hat sich das kontinuierliche Glucosemonitoring (CGM) für viele Menschen mit Diabetes zum Behandlungsstandard entwickelt – gleichzeitig hält die Diskussion über Nutzen, Grenzen und die richtige Interpretation der Daten weiter an. Eine Sitzung mit dem Titel „CGM-Kontroversen“ widmete sich diesen Fragen in einer Expertenrunde.
Michael Kohn, Professor für Epidemiologie und Biostatistik an der University of California in San Francisco, gab einen Überblick über die Verbreitung, Stärken und Schwächen der führenden verschreibungspflichtigen CGM-Systeme. Er wies darauf hin, dass CGM-Geräte tendenziell weniger präzise messen als konventionelle Blutzuckermesssysteme und relevante hypoglykämische Ereignisse mitunter nicht erkennen. Dennoch hätten CGM-Systeme insgesamt einen positiven Einfluss auf die Versorgung und seien ein essenzieller Bestandteil von AID-Systemen, die mittlerweile von mehr als der Hälfte der Menschen mit Typ-1-Diabetes in den USA genutzt werden.
Diskussionsbedarf besteht weiterhin bei der Anwendung von CGM im Krankenhaus und bei Schwangeren mit Gestationsdiabetes. Auch darüber, welche Parameter die Genauigkeit eines CGM-Systems am besten beschreiben, herrscht noch Uneinigkeit: Genannt wurden u. a. die mittlere absolute relative Differenz (MARD), die Übereinstimmungsrate (AR), der Prozentsatz der Werte in Zone A eines Fehlerrasters sowie die Erkennungsraten und Fehlalarme bei Hypo- oder Hyperglykämien.
Nicole Ehrhardt von der University of Washington betonte, wie wichtig es sei, dass Ärztinnen und Ärzte die CGM-Daten nicht nur korrekt interpretieren, sondern sie ihren PatientInnen auch verständlich vermitteln können. Auch bei HbA1c- und GMI-Werten gebe es nach wie vor Missverständnisse. Vielfach würden beide Werte gleichgesetzt – was nicht zulässig sei. Ein besseres Verständnis der Unterschiede könne insbesondere bei PatientInnen mit chronischer Nierenerkrankung hilfreich sein, da bei ihnen HbA1c-Werte häufig unzuverlässig seien.
Tadej Battelino vom Universitätsklinikum Ljubljana beleuchtete weitere Einschränkungen des HbA1c. Er erläuterte, warum dieser Langzeitwert – als 100-Tage-Mittelwert der Glukosekonzentration stark abhängig von individuellen Glykierungsprozessen – der Realität oft nicht gerecht werde. Im Vergleich dazu bieten CGM-Parameter wie „Time in Range“ (TIR) oder „Time in Target Range“ (TITR) deutlich aussagekräftigere, therapiebezogene Daten. So lassen sich Therapieziele besser kontrollieren, individuelle Anpassungen vornehmen und Komplikationen vermeiden – etwa eine Ketoazidose bei Menschen mit Typ-1-Diabetes. Battelino sprach in diesem Zusammenhang von einem „bahnbrechenden“ Potenzial der CGM-Technologie auch für Menschen mit Typ-2-Diabetes: Eine konsequente Glucoseoptimierung könne das Fortschreiten der Erkrankung und Folgekomplikationen wie Demenz oder kardiovaskuläre Erkrankungen deutlich reduzieren.
Zusatztherapien bei AID-Systemen: Wo sind die Grenzen?
In einer Nachmittagssitzung diskutierten Viral Shah (Indiana University) und Anders Carlson (International Diabetes Center) den Einsatz ergänzender medikamentöser Therapien bei der Nutzung von AID-Systemen. Shah betonte, dass viele Nutzer trotz AID ihre Glucosezielwerte nicht erreichen. So zeigte eine Studie, dass im Jahr 2021 nur rund die Hälfte der AID-AnwenderInnen einen HbA1c-Wert unter 7,0 % erreichte. Zudem sei die Glucosekontrolle während des Tages oft unzureichend, insbesondere mit deutlichen Schwankungen zwischen Tages- und Nachtwerten. Selbst bei optimaler Glucoseeinstellung bleibe das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und chronische Nierenschäden bei Typ-1-Diabetes erhöht.
Daraus ergibt sich die Notwendigkeit ergänzender Therapieansätze. Shah verwies auf zwei Optionen: GLP-1-Rezeptoragonisten (GLP-1-RA) und SGLT-2-Inhibitoren. Angesichts der steigenden Prävalenz von Adipositas seien GLP-1-RA besonders attraktiv – auch für Menschen mit Typ-1-Diabetes. Er stellte dabei Studien wie ADJUNCT ONE und ADJUNCT TWO vor, in denen unter Liraglutid vermehrt symptomatische Hypoglykämien beobachtet wurden – ein Effekt, den Shah auf die geringe CGM- und Pumpennutzung sowie unzureichend angepasste Insulindosierungen zurückführte.
In einer kleinen Studie mit Tirzepatid und einem AID-System von Tandem konnte zudem eine deutliche Reduktion der täglichen Insulindosis (−30 % gesamt, −40 % Bolus) innerhalb von zwei Monaten beobachtet werden. Shah betonte allerdings auch die Notwendigkeit einer fundierten Schulung – etwa zu Krankheitstagen, Ketontests und dem Management gastrointestinaler Nebenwirkungen – als Voraussetzung für eine sichere GLP-1-RA-Therapie in Kombination mit AID-Systemen.
Anders Carlson hat auf die begrenzte Studienlage bei der kombinierten Anwendung von SGLT-2-Inhibitoren und AID-Systemen bei T1D verwiesen und stellte deshalb auch Fälle aus seiner Praxis vor. In Anbetracht des erhöhten DKA-Risikos im Zusammenhang mit diesen Therapien ist eine gründliche Aufklärung über DKA und Keton Tests unerlässlich. Unterbrechungen bei der Insulinzufuhr sollten möglichst nicht auftreten. Eine verbesserte Erkennung und Warnung vor Insulin-Okklusionen bei AID-Systemen ist notwendig, um die sichere Einführung von SGLT-2-Inhibitoren bei T1D zu erleichtern. Auch bei dieser Ko-Medikation ändert sich der Insulinbedarf, dieser sinkt je nach SGLT-2 Inhibitor um 5–10%. Ein kontinuierliches Monitoring von Ketonkörpern (CKM; s.u.) stellt eine wichtige Option in diesem Zusammenhang dar. Mit der Verfügbarkeit von CKM kann von zukünftigen AID-Algorithmen eine Anpassung an die Ketogenese erfolgen.
Das Thema Einsatz des (MiniMed 780G)-AID-System bei erwachsenen Menschen mit T2D ist auch für Deutschland von Interesse, da Medtronic (oder in Zukunft eben wieder MiniMed) in Kürze einen Antrag auf eine CE-Markierung dafür einreichen will. Die Evaluierung von Real-World-Daten einer kleinen Gruppe von Anwendern (232 Teilnehmern; Durchschnittsalter 60 Jahre, durchschnittliche Diabetesdauer 19 Jahre, 59% weiblich) zeigte signifikante glykämische Verbesserungen vom Ausgangswert bis zur Nachuntersuchung. Die TIR stieg um 2,0 Stunden/Tag von 76% zu Beginn auf 85% bei der Nachuntersuchung (p < 0,001). Die Zeit im engen Zielbereich (TITR) stieg um 3,1 Stunden/Tag von 45% zu Beginn der Studie auf 58% bei der Nachuntersuchung (p <0,0001). Diese Verbesserungen waren ausschließlich auf eine Verringerung der Zeit außerhalb des Zielbereichs (TAR) zurückzuführen, da die Zeit unterhalb des Zielbereichs (TBR) bei 0,3% stabil blieb. Die TAR sank um 2,1 Stunden/Tag von 23% zu Beginn der Studie auf 15% nach drei Monaten. Der HbA1c sank von 7,7% zu Beginn der Studie auf 6,9% bei der Nachuntersuchung (p <0,0001). Diese Verbesserungen wurden ohne größere Gewichtsveränderungen erreicht (98,0 kg zu Beginn der Studie gegenüber 98,4 kg nach drei Monaten). Die Patienten berichtete über eine Verbesserung ihrer Lebensqualität – gemessen anhand des Diabetes-39 (D-39)-Fragebogens – im Vergleich zum Ausgangswert.
In einem hochkarätig besetzen Symposium mit Ketan Dhatariya aus Großbritannien, Lori Laffel vom Joslin Diabetes Center, Jennifer Sherr von der Yale University und Richard Bergenstal vom International Diabetes Center wurde über die Prävalenz von Ketose bei verschiedenen Diabetes-Typen und der Einsatz von SGLT-2 Inhibitoren, dem kombinierten Einsatz von CGM-CKM sowie Schwankungen bei Glucose- und Ketonwerten diskutiert. Die Sinnhaftigkeit der Nutzung von CKM wurde durch neue Machbarkeitsdaten und Erkenntnisse aus der Praxis belegt, die eine Reduktion des Risikos einer DKA zeigen. Das duale CGM-CKM-System von Abbott, welches als „duales Glukose-Keton-Monitoring-System“; DGK-Monitoring bezeichnet wurde, ist nach Ansicht der Redner klinisch einsetzbar, kosteneffizient und den derzeitigen Testmethoden überlegen, insbesondere für Patienten mit hohem Risiko für DKA und Insulinpumpen-Anwender.
Lori Laffel hob die klinischen Vorteile von Blutketontests gegenüber Urin-basierten Methoden hervor. Angesichts der steigenden Zahl von Krankenhausaufenthalten aufgrund von DKA, insbesondere bei Jugendlichen, und der Tatsache, dass der Keton-Spiegel während einer Erkrankung oder in Stresssituationen oft vor dem Glukosespiegel ansteigt, betonte sie, dass eine frühzeitige Erkennung unerlässlich ist. Bei einer randomisierten, kontrollierten Studie, führte die Nutzung von Blutketontests zu fast 50% weniger Notfalluntersuchungen und einer deutlich höheren Therapietreue im Vergleich zu Urintests. Es fehlen forderte standardisierte Leitlinien für Krankheitstage, ein breiter Zugang zu Blutketontests und die Integration von CKM in die Routineversorgung, um DKA zu verhindern.
Jennifer Sherr stimmte zu, dass ein klarer Bedarf für CKM besteht. Sie räumte zwar die Einschränkungen der Studienarten ein, stellte aber mehrere Fälle mit dem dualen CGM-CKM-Sensor von Abbott in Verbindung mit kohlenhydratarmen Diäten (die bei T2D wahrscheinlich keine DKA auslösen) und Ketonbelastungstests (weniger physiologisch relevant) vor, um zu zeigen, dass die Messergebnisse mit dem Sensor selbst bei erheblichen Schwankungen in den Ketonkörperwerten gut mit den Werten von Referenzmessungen übereinstimmten. Sie ging auf die wichtigsten Ergebnisse einer vorläufigen Studie von Abbott zu CKM nach Insulinpumpensuspension (n = 25) ein.
Die Teilnehmer trugen CKM bis zu 10 Tage lang, wobei die Insulinpumpen zwischen Tag 3 und 10 der Sensortragezeit abgesetzt wurden. Davor mussten die Glucosewerte unter 250 mg/dl und die Betahydroxybutyrat-Werte (BHB) unter 1,0 mmol/l liegen. Anschließend wurden Glucose, BHB, Kalium und pH-Wert wurden alle 15 Minuten gemessen. Der mittlere Glucosespiegel stieg von 140 mg/dl zu Beginn der Studie auf einen Spitzenwert von 318 mg/dl nach der Insulinunterbrechung an, wobei „die meisten” Teilnehmer den Grenzwert von 250 mg/dl für schwere Hyperglykämie überschritten. Wie erwartet stieg der Ketonspiegel von 0,3 mmol/L auf einen Spitzenwert von 1,8 mmol/L nach der Aussetzung an, wobei die „überwiegende Mehrheit” einen Wert von 1,0 mmol/L überschritt.
Die Ergebnisse einer zulassungsrelevanten Studie von Abbott mit CKM nach Aussetzung der Insulinpumpe (n = 44) waren vergleichbar. Die Teilnehmer waren im Durchschnitt 41 Jahre alt und litten seit 26 Jahren an Diabetes. Der mittlere Glucosespiegel stieg von 159 mg/dl zu Beginn der Studie auf einen Spitzenwert von 305 mg/, wobei die Ketonwerte von 0,3 mmol/L auf einen Spitzenwert von 1,5 mmol/L anstiegen. Die Rednerin zeigte Daten einer 50-jährigen Frau, um zu veranschaulichen, wie Glucose- und Ketonwerte unabhängig voneinander schwanken können. Während die Ketonwerte innerhalb einer Stunde nach dem Absetzen der Pumpe deutlich begannen anzusteigen, und den Grenzwert von 1,0 mmol/L überschritten, erreichte der Glucosewert noch keine 250 mg/dL.
Eine Studie mit 32 Kindern im Alter von 6 bis 16 Jahren zeigte zu Beginn (= vor dem Absetzen der Insulinpumpe) einen höheren durchschnittlichen Glucosespiegel von 192 mg/dl als die Erwachsenen, erreichte jedoch danach einen niedrigeren Spitzenwert von 289 mg/dl. Die Ketonwerte stiegen von 0,3 mmol/L zu Studienbeginn auf einen Spitzenwert von 1,2 mmol/L. Erwachsene erreichten häufiger Ketongrenzwerte (76% >1,0 mmol/L und 40% >1,5 mmol/L) als Kinder (56% >1,0 mg/dL und 30% >1,5 mg/dL).
Richard Bergenstal präsentierte reale Keton-Daten mit dem DGK-System von über drei Millionen Tests mit etwa 165.000 Lesegeräten in 89 Ländern und berichtete, dass: 87% der Messwerte normal waren (<0,6 mmol/L), 8% erhöht waren (0,6–1,5 mmol/L), 5% lagen über 1,5 mmol/L und 2% über 3,0 mmol/L. Die Tests waren häufig reaktiv, da der mittlere Glucosewert innerhalb von 20 Minuten nach einem Ketontest bei 311 mg/dl lag (n = 1.878.279). Der Redner betonte, dass an Tagen mit erhöhten Ketonwerten nur durchschnittlich zwei Tests durchgeführt wurden, eine Testrate, die er als „unzureichend“ bezeichnete. Er diskutierte eine laufende Studie zur Definition „normaler” BHB-Werte bei Menschen mit Diabetes und damit verbundenen Begleiterkrankungen.
Anhand von Daten aus der Praxis beschrieb er, wie Menschen mit T2D, die SGLT-2-Inhibitoren einnahmen (n = 51), 8% der Zeit ≥ 0,6 mmol/L verbringen und 6% der Zeit ≥1,5 mmol/L. Im Vergleich dazu verbrachten Menschen mit T2D unter Insulintherapie (n=74) 23% der Zeit ≥0,6 mmol/L und keine Zeit ≥1,5 mmol/L. Menschen mit T1D verbrachten 25% Zeit ≥0,6 mmol/L und 6% Zeit ≥1,5 mmol/L. Er betrachtet das DGK-System als ein vielversprechendes Instrument für die sichere Anwendung von SGLT-2-Inhibitoren bei T1D. Er kündigte ein Sonderheft in der Fachzeitschrift DTT mit dem Titel „Die Rolle der doppelten Glucose-Keton-Überwachung im gesamten klinischen Spektrum” an.
Ketan Dhatariya untersuchte die physiologische Rolle von Ketonen und betonte die Dringlichkeit einer genauen Überwachung bei Insulinmangel. Er stellte Ketone als einen evolutionären Überlebensmechanismus dar, warnte jedoch vor ihrem raschen Anstieg bei Insulinmangel, der zu einer lebensbedrohlichen DKA führen kann. Er unterstrich die konzentrationsabhängigen Wirkungen von Insulin, von der Unterdrückung der Ketonproduktion bis zur Förderung des Anabolismus – unter Berufung auf Daten, die zeigen, dass Ketonwerte bei längerem Fasten bis zu 6,0 mmol/L erreichen können, ohne eine Azidose auszulösen. Er kritisierte das Fehlen von kapillaren Ketontests am Krankenbett in den USA und merkte an, dass die aktuellen diagnostischen Schwellenwerte für DKA (≥3,0 mmol/L) eher auf praktischen Erwägungen als auf physiologischen Grundlagen beruhen, da es in der Praxis enorme Schwankungen gibt.
In einer morgendlichen Produktpräsentation stellte Abbott selber Daten zu dem DGK-System vor. Marc Taub präsentierte das Potenzial des Systems, stellte aber keine neuen Details zum Produkt oder einen Zeitplan für die Markteinführung vor. Er gab einen Überblick über die Machbarkeitsstudien, die deutlich unterschiedliche Reaktionen von Glucose und Ketonen nach dem Absetzen der Insulinzufuhr zeigten. Ein kontinuierliches Ketonmonitoring ermöglicht eine Frühwarnung vor einer möglichen Ketose. Das DGK-System basiert auf dem FreeStyle Libre 3 Plus-CGM-Sensor. Es handelt sich um einen 15-Tage-Sensor, der jede Minute Glucose- und Ketonwerte an ein Smartphone oder einen Empfänger sendet und optional bei erhöhten Ketonwerten Alarm gibt.
Bisher messen Menschen mit T1D eher selten Ketonkörper, bei einer Befragung gaben 64% der Patienten an, niemals Ketone zu testen, weniger als 20% tun dies bei Glucosewerten >300 mg/dl über einen Zeitraum von mehr als einer Stunde hinweg und nur 62% der Patienten messen bei Übelkeit oder Erbrechen. Abbott hat in den letzten Wochen mehrere zukünftige Pumpenintegrationen für seinen dualen Glucose-Keton-Sensor angekündigt (Sequel’s twiist, Tandem’s t:slim X2 und Mobi mit Control-IQ+; iLet von Beta Bionics und mylife Loop von Ypsomed).
Schließlich wurden Daten zur Nutzung von CGM bei Menschen mit T2D in den USA gezeigt. Nur 10% der rund 30 Millionen Menschen verwenden derzeit ein CGM-System. Die ADA-Behandlungsstandards empfehlen CGM für alle Menschen mit Diabetes, die eine Insulintherapie erhalten, und seit kurzem auch für Menschen, die keine Insulintherapie erhalten. Bei der FRONTIER-Studie führte die Nutzung von CGM in Kombination mit GLP-1-RA zu einer additiven Senkung des HbA1c-Wertes, mit einer zusätzlichen Senkung um 0,6% im Vergleich zur alleinigen Anwendung von GLP-1-RA. Zukünftigen Software-Innovationen von Abbott ermöglichen drei Optionen: Integration von mehr Insulinpumpen mit FreeStyle Libre 3 Plus, Interaktion mit der Apple Watch App und automatische Datenintegration in das klinischen Datenbanksystem Epic, der führenden Electronic Healthcare Record-Plattform in den USA. Dies ermöglicht einen besseren Zugriff und Analyse der CGM Messwerte, was auch zu einer Optimierung der Arbeitsabläufe führen soll.
Bei den Postern gab es mit MuSiC4Diabetes auch die Vorstellung eines EU-geförderten Projektes mit deutscher Beteiligung auf dem ADA (www.music4diabetes.eu). Hierbei geht es um ein „Multi-Sensing Implantable Automated Insulin Delivery System“, d.h. um die Entwicklung eines vollständig implantierbaren AID-Systems, welches eine Multimetaboliten-Sensorik zur Messung von Glucose, Laktat und Keton-Körpern verwendet. Die Insulinzufuhr erfolgt über die intraperitoneale Route. Es werden adaptive Steuerungsalgorithmen verwendet. Das Gesamtsystem soll ein diskretes, automatisiertes Diabetesmanagement mit minimalem Benutzeraufwand ermöglichen. Beim ADA wurden nun die wichtigsten Erkenntnisse einer Umfrage (n=526) zu solch einem Ansatz vorgestellt. Es ergab sich eine hohe Gesamtakzeptanz eines solchen implantierbaren Systems, selbst wenn dies manuelle Eingaben verlangt, solange das System Unauffälligkeit gewährleistet. Mehr Aufklärungsbedarf gibt es zur Wertigkeit einer kontinuierlichen Laktat- und Ketonkörper-Überwachung.
Fazit: Dieser ADA war besser als der letztjährige amerikanische Kongress, so der richtige Bringer war er trotzdem nicht. Technologieaspekte werden beim ATTD oder dem DTM besser abgedeckt.
Dieser Artikel erscheint als Teil des wöchentlichen Letters zu hochaktuellen Entwicklungen im Bereich Diabetes Technologie. Nutzen Sie das nebenstehende Formular um sich für den diatec weekly Newsletter anzumelden!
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