Herzlich willkommen beim diatec weekly,

stellen Sie sich ein Räderwerk vor. Ein großes und gewaltiges wie eine große und komplizierte Uhr oder das Getriebe eines Rennwagens oder eines Schiffshebewerks. Räderwerke werden eingesetzt, um Kraft, Bewegung und Information zu übertragen. Sie verfügen über einen Mechanismus, der ebenso fein wie gewaltig und so komplex wie selbstverständlich ist. Viele verschiedene Zahnräder greifen ineinander, große und kleine, jedes für sich nur ein Stück Metall, zusammen jedoch ein System von bestechender Präzision. Alles bewegt sich in einem Gleichklang und wird getragen von einem Rhythmus, der nicht gefragt werden muss, warum er so ist. Er ist einfach. Das Ganze lebt von der Bewegung seiner Teile, vom Ineinandergreifen, von der stillen Einigkeit.

Doch nichts währt ewig reibungslos, das Räderwerk ist ein sensibles System. Zunächst sind es kaum spürbare Irritationen. Ein kleines Rad läuft schwerfälliger, der Zahn eines anderen zeigt Spuren von Abnutzung. Man hört ein leises Knirschen, das im Takt der Bewegung kaum auffällt. Was an einer Stelle stockt, setzt andernorts Widerstände frei. Bald verhaken sich die Zähne eines kleineren Rädchens. Es bleibt kurz stehen und reißt die verbundenen Teile mit. Noch fängt der Mechanismus sich, die Masse der Bewegung trägt die Schwäche über eine Zeitlang hinweg. Doch der Schaden ist gesät. Ein gebrochenes Zahnrad kann nicht repariert werden, ohne das ganze Gefüge zu öffnen. Und so wächst aus einem kleinen Defekt ein Riss im Fundament.

Nach und nach verweigern weitere Räder ihren Dienst. Manche brechen, andere laufen leer, als hätten sie den Anschluss verloren. Was einst wie ein Wunderwerk der Ordnung erschien, wird zum Bild einer unausweichlichen Auflösung. Was bleibt, ist der Anblick einer starren Mechanik, die ihre einstige Vollkommenheit nicht halten konnte. Das Zusammenspiel, das einst Bewegung schuf, zeigt nun seine Zerbrechlichkeit. Das große Räderwerk verlangsamt sich, knirscht und stottert, als ob Sand ins Getriebe geraten wäre. Irgendwann bleibt es stehen.

Kommt Ihnen das bekannt vor? Das Räderwerk ist Sinnbild für vieles: für Gesellschaften, die aus vielen Individuen bestehen, für Systeme, die von Mitwirkung abhängen, für das Leben selbst, das nur so lange läuft, wie seine Rädchen ineinandergreifen. Sein Stillstand erinnert uns daran, dass jedes Teil zählt – und dass Vollkommenheit, so selbstverständlich sie uns erscheint, immer nur auf Zeit geliehen ist.

Auch unsere Gesellschaft gleicht einem Räderwerk. Wie Zahnräder unterschiedlichster Größe greifen sämtliche Institutionen ineinander – Bürgerinnen und Bürger, Ministerien, Parlamente, Gerichte, Medien, Wissenschaft und Unternehmen. Gemeinsam halten sie das demokratische System am Laufen, mal mit Reibung, mal mit Tempo, aber im Ganzen stabil. Inzwischen aber knirscht es spürbar im Getriebe. Der sich ausweitende Populismus wirkt wie Sand zwischen den Zähnen, verspricht zwar schnelle Lösungen, blockiert aber das feine Zusammenspiel. Soziale Ungleichheit lässt die kleineren Zahnräder brechen, digitale Desinformationen schleifen an den Rädern und das Schmiermittel Wahrheit trocknet aus. Globale Krisen wie der Klimawandel, Kriege oder Migration setzen das gesamte Räderwerk unter Hochspannung, so dass inzwischen selbst robuste Teile ächzen.

Noch funktioniert das System, aber es stottert mächtig – zu viel Sand hat sich inzwischen im Getriebe angesammelt. Vernachlässigung des Systems über lange Zeit, fehlende Ausrichtung in die Zukunft, wenig Mut, kaum noch ein gemeinsames Verantwortungsgefühl für die Nation und geringe Kompromissbereitschaft bei den politisch Handelnden sind Gründe dafür.

Auch die vielen Migranten werden gerne genannt oder besser – die fehlende Integration dieser Menschen. Aber da ist noch mehr: Missbrauch der Sozialsysteme und die empfundene Ungerechtigkeit des Bürgergelds. Überbürokratisierung auf allen Ebenen, die es aber nicht schafft, die Probleme in den Griff zu kriegen. Die lahmende Wirtschaft und die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes. Der Müll, der überall herumliegt. Die Clans, die sich ungehindert in den Ballungsgebieten ausbreiten und deren Gewaltbereitschaft. Überhaupt das Thema Sicherheit und das mangelnde Vertrauen in die Legislative und Exekutive. Die Konzeptlosigkeit der Politik. Wahlkämpfe, in denen nur noch Geschenke verteilt werden, als ob denn heut‘ schon Weihnachten wäre. Die Angst vor einem neuen Krieg kommt dann noch dazu und die große Sorge, ob wir noch verteidigungsfähig sind. Und weil sich viele Menschen abgehängt fühlen, wählen sie die AfD.

Eine Studie der Universität Harvard hat herausgefunden, dass hinter all dem die Globalisierung steckt. Offene Grenzen, freie Handelsströme und die Kombination aus Handel, Finanzverflechtungen, Migration und kultureller Vernetzung hat in fast allen westlichen Ländern zu einer Zunahme der Unzufriedenheit geführt und damit dem Aufstieg des Populismus begünstigt. Die wirtschaftlichen Effekte der Globalisierung gehen mit dem Verlust von Arbeitsplätzen und zunehmender Deindustrialisierung in den westlichen Ländern einher. Profitieren tun davon nur wenige und meistens Großkonzerne, die meisten Menschen verlieren. Aber nicht nur der wirtschaftliche Schaden spielt dabei eine Rolle, sondern auch das Gefühl, dass „Eigenes“ bedroht ist: die eigene nationale Identität, die eigenen kulturellen Normen, das Gefühl der Zugehörigkeit.

Unter diesem Aspekt versteht man vielleicht die amerikanische MAGA-Bewegung und Zollpolitik ein wenig besser: „Why Does Globalization Fuel Populism? Economics, Culture, and the Rise of Right-Wing Populism“ von Dr. Dani Rodrik, Professor für Internationale Politische Ökonomie.

Nun lässt sich die Globalisierung kaum wieder zurückdrehen. Aber WIR können entscheiden, WIE sie gestaltet wird und WER von ihr profitiert. Wenn wir nicht pflegen, was uns trägt und wenn wir unser Räderwerk nicht gut ölen mit Vertrauen, Kompromissbereitschaft und gemeinsame Verantwortung, dann droht der große Mechanismus zum Stillstand zu kommen. Wo also sind die neuen Ideen? Wo ist der Mut eines Schröders für umfassende Reformen? Wo bleibt die große Bildungsreform, damit wir wieder zukunftsfähig werden? Schaffen wir das… noch?

Bleiben wir positiv! Globalisierung kann Deutschland tragen, wenn wir alle Räder gut ölen: Arbeit, Bildung und Zusammenhalt. Wir wollen schließlich nicht unter die Räder kommen.

Die Themen der Woche sind ein Beitrag zu einem europäischen IT-System, dass mit einem Beschluss von 2010 immer noch nicht funktionsfähig umgesetzt wurde, gefolgt von einem ersten Bericht aus Wien, wo diese Woche der EASD stattfand, und last but not least ein verheißungsvolles neues Produkt, zumindest wenn wir der Werbung dafür glauben dürfen.

Bevor es losgeht, haben wir noch eine Ankündigung – ab heute gibt es die Live-Aufzeichnung der letzten diatec im Januar dieses Jahres als Podcast: Candy Diaries von und mit Laura Karasek und Stephan Seiler! Überall wo es Podcast gibt. Die Live-Folge von der diatec wird es vermutlich im November geben. Wir werden dann berichten. 

Und darum geht es bei dieser unterhaltsamen Sendung: „Diabetes kann manchmal tückisch sein. Läuft etwas schief, fühlt man sich schnell einsam. Selbst enge Freunde oder Verwandte können kaum nachempfinden, was es heißt, während eines Jobs, auf Ausflügen oder beim Sex zu unterzuckern.“ Candy Diaries soll auch eine seelische Stütze für alle sein, die sich ihrer Krankheit nicht unterwerfen, sondern ein einigermaßen normales und unnormales Leben führen wollen. Nun aber zu den Themen der Woche, auf geht’s!

EUDAMED steht für „European Database on Medical Devices“ und ist das zentrale IT-System der EU zur Umsetzung der neuen Verordnungen für Medizinprodukte (MDR, 2017/745) und In-vitro-Diagnostika (IVDR, 2017/746) mit dem Ziel, Transparenz und Nachverfolgbarkeit von Medizinprodukten über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg sicherzustellen. Ursprünglich sollte EUDAMED bereits 2020 vollständig in Betrieb sein, doch technische und organisatorische Verzögerungen sowie die Pandemie führten zu mehrfachen Verschiebungen:

EUDAMED – kommt die Europäische Datenbank zur Erfassung von Nebenwirkungen bei Medizinprodukten in diesem Leben noch?

Über manche Dinge in der EU kann man nur den Kopf schütteln. Basierend auf der prinzipiell guten und naheliegenden Idee, unerwünschte Nebenwirkungen von Medizinprodukten in einer zentralen Datenbank zu sammeln und damit die Transparenz im Bereich Medizinprodukte zu erhöhen, indem Informationen über Akteure, Produkte und deren Lebenszyklus gesammelt und verarbeitet werden, gab es am 19. April 2010 (kein Tippfehler!) einen Beschluss der Europäischen Kommission, wonach alle EU-Mitgliedstaaten seit Mai 2011 diese Datenbank nutzen müssen.

Diese Woche findet in Wien der EASD statt, der große europäische Diabetes-Kongress.

Das Programm ist wie immer vielfältig und deckt sowohl Grundlagenforschung als auch klinische Studien und praktische Versorgungsaspekte ab. Besonders spannend in diesem Jahr: Es gibt mehr zu Diabetes-Technologie und auch einiges zum Thema Digitalisierung und Künstliche Intelligenz. Ein Thema, das leider immer noch im Dornröschenschlaf steckt, ist dieses hier:

SmartPens – Real-World-Daten zum InPen™ beim EASD 2025

Auf der diesjährigen EASD-Jahrestagung in Wien präsentierte A. Laurenzi Real-World-Daten von 1.852 europäischen Nutzern des InPen™ Smart-MDI-Systems (SO 084, Poster 910). Das System kombiniert das integrierte CGM-System Simplera, den intelligenten Insulinpen InPen sowie die dazugehörige InPen-App. Neben Echtzeit-Glukosewerten unterstützt es die Therapie durch Funktionen wie Bolusrechner, Erinnerungen an vergessene Insulindosen (MDA) und Warnungen bei Hyperglykämie (CHGA).

Haben Sie die Werbung schon gesehen? Eine attraktive Dame, wahrscheinlich von einer KI gemacht, trägt einen Ring am Finger und man glaubt schon, es geht um Schmuck oder vielleicht auch um eine anstehende Hochzeit. Aber weit gefehlt, denn es ist die Reklame für ein weiteres

„Bahnbrechendes“ Produkt zum Glucosemonitoring!

„Rizz“, so heißt der „bahnbrechende, nicht-invasive Smart-Ring“, wobei die gewählte Sprache als symptomatisch betrachtet werden muss. Es vergeht ja kein Jahr, in dem nicht „Revolutionen“ beim Glucose-Monitoring angekündigt werden.

Das Bild der Woche

So schön. So winzig! So nervig! Und so gefährlich! Insekten können uns gefährden,
weil sie Krankheiten wie Malaria, Dengue-Fieber, Zika oder West-Nil-Fieber übertragen. 

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Zum Schluss noch wie immer das Letzte

Der neueste Trend in der Medizintechnik – und dazu gehört auch die Diabetes-Technologie – sind Foundation-Modelle. Diese KI-Modelle basieren auf riesigen Datensätzen und lassen sich flexibel an unterschiedlichste Aufgaben anpassen. Sie etablieren sich zunehmend als fester Bestandteil im Werkzeugkasten der Medizintechnikunternehmen.

Besonders die großen Player im Bereich der Bildgebung treiben die Entwicklung voran: So förderte GE Healthcare im vergangenen Jahr ein Foundation-Modell für die MRT-Forschung, Philips kündigte eine Kooperation mit Nvidia zur Entwicklung eines Modells für MRTs an, und auf der letztjährigen RSNA-Tagung standen mehrere Abstracts zur Bewertung und Verbesserung von Foundation-Modellen im Fokus. Auch die FDA hat ihre Datenbank für KI-gestützte Medizinprodukte aktualisiert und untersucht, wie Geräte mit Foundation-Modellen künftig identifiziert und gekennzeichnet werden können.

In der Diabetes-Technologie zeichnen sich erste Szenarien ab. Dazu zählt etwa die Vorhersage des Blutzuckerverlaufs über 15 oder 30 Minuten, um Hypoglykämien zu vermeiden und Alarmfunktionen intelligenter zu gestalten. Eine aktuelle Studie („Exploration of Foundational Models for Blood Glucose Forecasting in Type-1 Diabetes Pediatric Patients“) setzte hierzu das Foundation-Modell TimeGPT ein und kombinierte CGM-Daten mit Informationen zu Insulin und Kohlenhydraten – mit überzeugender Genauigkeit bei kurzen Vorhersageintervallen.

Auch bei den AID-Systemen könnten Foundation-Modelle künftig eine wichtige Rolle spielen, indem sie vielfältige Inputs – CGM, Kohlenhydrate, Aktivität und andere Kontexte – effizient verarbeiten und robustere Vorhersagen liefern. Ihr Vorteil liegt darin, dass sie bereits mit umfassendem Vorwissen starten und sich dann mit individuellen Patientendaten feinjustieren lassen. So sind von Beginn an bessere Basisprognosen möglich, statt mühsam bei null zu beginnen.

Überhaupt bietet das Diabetesmanagement eine Fülle potenzieller Datenquellen: neben CGM und Insulinpumpen auch Aktivitätsdaten, Ernährungsinformationen, Stresslevel oder Schlafqualität. Besonders multimodale Foundation-Modelle, die Bild-, Text- und Zeitreihendaten integrieren können, erscheinen dafür prädestiniert.

Fazit: Foundation-Modelle sind mehr als ein Hype – sie könnten zum zentralen Schlüssel werden, um die wachsende Komplexität im Diabetesmanagement intelligent zu bändigen und die personalisierte Therapie auf ein neues Niveau zu heben.

Und schon sind wir ans Ende angelangt. In den kommenden Wochen werden wir ausführlicher vom EASD berichten. Es wird zu diesem großen Europäischen Diabeteskongress auch wieder ein Update geben, das mit freundlicher Unterstützung von Abbott kurz nach dem Kongress aufgezeichnet wird.

Hier und heute möchten wir unsere Leser noch auf den aktuellen Podcast von O-Ton Diabetologie, Tec-Update aufmerksam machen, dieses Mal ist ein spannendes Interview mit einer Hausärztin zum Thema Diabetes-Technologie: 

Nun wünschen wir ein entspanntes Wochenende und schließen mit Bezug auf unser heutiges Intro mal mit einem berühmt gewordenen Satz: Wir schaffen das!

Es grüßen herzlich,

der wöchentliche Newsletter zu aktuellen Entwicklungen zum Thema Diabetes und Technologie.

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Dieser Artikel erscheint als Teil des wöchentlichen Letters zu hochaktuellen Entwicklungen im Bereich Diabetes Technologie. Nutzen Sie das nebenstehende Formular um sich für den diatec weekly Newsletter anzumelden!

Mit freundlichen Grüßen