Michael Rickels von der University of Pennsylvania stellte auf der diesjährigen ADA-Jahrestagung die Einjahres-Follow-up-Daten der FORWARD-Studie zur Inselzelltherapie Zimislecel (ehemals VX-880) vor. Die Ergebnisse wurden zeitgleich in der renommierten Fachzeitschrift New England Journal of Medicine veröffentlicht. Entwickelt wurde die Therapie von Vertex Pharmaceuticals mit Sitz in Boston. Zimislecel basiert auf aus Stammzellen gewonnenen, insulinproduzierenden Beta-Zellen und richtet sich an Menschen mit Typ-1-Diabetes, die unter einer eingeschränkten Hypoglykämie-Wahrnehmung leiden und innerhalb eines Jahres mindestens zwei schwere hypoglykämische Ereignisse (SHEs) erlitten haben. Die Therapie erfordert eine standardmäßige Immunsuppression.
An der Phase-1/2-Studie nahmen insgesamt 14 Patientinnen und Patienten teil. Zwei von ihnen erhielten eine halbe Dosis der Zelltherapie (Teil A), während die restlichen zwölf die volle Dosis bekamen – entweder sequenziell oder gleichzeitig (Teile B und C). Die im Rahmen der ADA vorgestellten Daten bezogen sich auf diese zwölf voll dosierten Teilnehmenden.
Die Studie erreichte ihren primären Endpunkt: Alle zwölf Personen blieben vom 90. bis zum 365. Tag frei von schweren hypoglykämischen Ereignissen. Zwischen Tag 180 und Tag 365 zeigte jede TeilnehmerIn entweder einen HbA1c-Wert unter 7% oder eine Reduktion des HbA1c um mindestens einen Prozentpunkt. Alle erreichten zudem eine Zeit im Zielbereich (TIR) von über 70%. Besonders eindrucksvoll: Die durchschnittliche TIR stieg von 49,5% zu Beginn der Studie auf über 70% am Tag 90 und erreichte nach einem Jahr 93,3% – ein Anstieg um 43,8%, was etwa 10,5 Stunden mehr im Zielbereich pro Tag entspricht. Damit erfüllten alle Teilnehmenden die von der ADA empfohlenen Zielwerte (HbA1c <7,0% und TIR >70%).
Die endogene Insulinproduktion konnte wiederhergestellt werden: Alle Studien- Teilnehmerinnen zeigten eine anhaltende, glukoseabhängige Insulinsekretion mit einem mittleren C-Peptidwert von 1.274 pmol/L an Tag 365. In der Folge ging der Bedarf an exogenem Insulin deutlich zurück: Zehn von zwölf Patient:innen benötigten nach einem Jahr überhaupt kein externes Insulin mehr.
VX-880 wurde insgesamt als gut verträglich beschrieben. Die meisten Nebenwirkungen waren leicht bis mäßig ausgeprägt, schwerwiegende behandlungsbezogene Ereignisse traten nicht auf. Die beobachteten unerwünschten Ereignisse standen vorwiegend im Zusammenhang mit der immunsuppressiven Begleittherapie. Häufig genannt wurden Durchfall, Kopfschmerzen und Übelkeit. Bei einigen TeilnehmerInnen kam es zu vorübergehenden Erhöhungen der Leberwerte (ALT und AST), zu einer Verminderung der weißen Blutkörperchen sowie zu einer eingeschränkten Nierenfunktion. Diese Nebenwirkungen wurden jedoch nicht dem Zellprodukt selbst zugeschrieben, sondern dem Infusionsverfahren und der immunsuppressiven Therapie.
Vertex gab bekannt, dass die Rekrutierung und Dosierung für den Phase-3-Teil der Studie im Sommer 2025 abgeschlossen sein soll. Die Einreichung des Zulassungsantrags ist weiterhin für das Jahr 2026 geplant. Parallel dazu baut das Unternehmen seine Produktions- und Vertriebskapazitäten aus, um eine rechtzeitige Markteinführung nach Zulassung sicherzustellen. Wie Vertex erklärte, wird die Produktion sowohl intern als auch mit externen Partnern hochgefahren. Darüber hinaus forscht das Unternehmen intensiv an Möglichkeiten, die Therapie künftig für eine größere Patientengruppe zugänglich zu machen. Dazu gehören geneditierte, hypoimmune Zelllinien, mit denen sich die Notwendigkeit einer Immunsuppression reduzieren oder ganz vermeiden ließe. Zudem arbeitet Vertex an neuen Technologien wie schützenden Verkapselungsvorrichtungen. Denn klar ist: Die Notwendigkeit einer lebenslangen Immunsuppression stellt derzeit noch eine zentrale Hürde für die breite Anwendung der Therapie dar.
Fazit: VX-880 wird im Rahmen einer laufenden, zulassungsrelevanten Phase-1/2/3-Studie (n = 52) evaluiert, wobei die Rekrutierung für die Studie nicht trivial ist. Ob die Rekrutierung für die Phase 3 wirklich bis Mitte 2025 abgeschlossen sein wird, bleibt abzuwarten. Es sei auch daran erinnert, dass Vertex mit der Einstellung des VX-264-Programms (Inselzellen + Verkapselungsvorrichtung; aber ohne Notwendigkeit einer Immunsuppression; wir haben im diatec weekly Oktober 2024 darüber berichtet) einen Rückschlag erlitten hat, da der Wirksamkeitsendpunkt in Teil B einer klinischen Studie nicht erreicht wurde. Vermutlich getrieben dadurch, hat Vertex erst kürzlich die Entlassung von 125 Mitarbeitern angekündigt und will drei seiner Standorte in Providence, Rhode Island, zu einem zusammenlegen.
Trotzdem gilt es zu sagen – Vertex hat mit VX-880 einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung getan! Das mediale Echo war in einer Reihe von Tageszeitungen, Nachrichten im TV etc entsprechend groß. .
- Reichman TW, Markmann JF, Odorico J, Witkowski P, Fung JJ, Wijkstrom M, et al. Stem Cell–Derived, Fully Differentiated Islets for Type 1 Diabetes. New England Journal of Medicine. 0(0). doi: doi:10.1056/NEJMoa2506549.
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