Ein Blick in den 11. Diabetes-Atlas der International Diabetes Federation (IDF) – der erste wurde im Jahr 2000 veröffentlicht – zeigt auf über 130 Folien mit zahlreichen Tabellen und Grafiken ein eindrückliches Bild der weltweiten Diabeteslast (IDF Diabetes Atlas | Global Diabetes Data & Statistics). Gleich zu Beginn sticht eine Zahl besonders hervor: Weltweit leben derzeit 589 Millionen Erwachsene (20–79 Jahre) mit Diabetes. In Europa sind es rund 66 Millionen, das entspricht etwa einem von zehn Erwachsenen.
Die Dynamik dieser Entwicklung ist beunruhigend: Im Jahr 2000 lag die Zahl der Betroffenen in Europa noch bei 22,4 Millionen, 2011 bereits bei 52,8 Millionen – und 2024 nun bei 65,6 Millionen. Etwa ein Drittel (34%) der Erkrankungen bleibt weiterhin unerkannt. Besonders alarmierend: Jede siebte Lebendgeburt weltweit ist mit Hyperglykämie in der Schwangerschaft verbunden.
Auch die wirtschaftlichen Folgen sind erheblich. Laut IDF-Atlas betragen die diabetesbedingten Gesundheitsausgaben:
- in hochentwickelten Ländern: 1,4% des Bruttoinlandsprodukts (BIP)
- in weniger entwickelten Ländern: 1,3%
- in Entwicklungsländern: 0,8%
Ein Blick in die Zukunft zeigt: Für das Jahr 2050 prognostiziert die IDF in Europa 72,4 Millionen Menschen mit Diabetes – ein Zuwachs von 10% im Vergleich zu heute. Damit verzeichnet Europa zwar den geringsten relativen Anstieg weltweit, ist aber keineswegs aus dem Schneider. Zum Vergleich: Die prognostizierten Zuwachsraten in anderen Regionen sind drastisch höher: +142% in Afrika, +92% im Nahen Osten und +73% in Südostasien. Global gerechnet werden im Jahr 2050 voraussichtlich 853 Millionen Menschen mit Diabetes leben.
Europa weist zudem die höchste Anzahl an Menschen mit Typ-1-Diabetes auf – rund 2,7 Millionen, davon 15% unter 20 Jahren (419.000 Kinder und Jugendliche). Im Jahr 2024 wurden hier rund 193 Milliarden US-Dollar für Diabetesaufgewendet, was 19% der weltweiten Ausgaben entspricht. Europa liegt damit an zweiter Stelle bei den durchschnittlichen Kosten pro Patient: 2.951 US-Dollar jährlich. Die diabetesbedingten Gesundheitsausgaben belaufen sich auf 1% des BIP.
Für Deutschland weist der Atlas 6,7 Millionen Menschen mit Diabetes im Jahr 2024 aus – das entspricht einem von neun Erwachsenen. Die altersstandardisierte Prävalenz liegt bei 7,8%, bei 20,4% der Betroffenen wurde die Erkrankung bislang nicht diagnostiziert. Damit rangiert Deutschland auf Platz 3 unter den fünf europäischen Ländern mit den meisten erwachsenen Menschen mit Diabetes – hinter der Türkei (9,6 Mio.) und Russland (7,6 Mio.), aber vor Italien und Spanien. Die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes (0–19 Jahre) liegt laut IDF bei 336.936.
Die Gesamtausgaben für Diabetes in Deutschland betragen laut Atlas rund 40,4 Milliarden US-Dollar – bemerkenswert präzise auf den Cent genau beziffert. Daraus ergeben sich 6.237 US-Dollar pro betroffene Person.
Fazit: Eine spannende Lektüre ist der IDF-Atlas, mit einem Vorwort vom aktuellen IDF-Präsidenten, Peter Schwarz aus Dresden. Der Atlas bietet eindrucksvolle Zahlen, bleibt jedoch in zentralen Aspekten der Versorgungsqualität oberflächlich. Es fehlen Angaben zu HbA1c-Zielwerten, zur tatsächlichen Qualität der Therapie und zu den eingesetzten Behandlungsformen in den einzelnen Regionen. Auch Diabetes-Technologie wird nur am Rande erwähnt – und das lediglich im Zusammenhang mit der Therapie schwangerer Frauen mit Typ-1-Diabetes. Es bleibt zu hoffen, dass künftige Ausgaben des IDF-Atlas diese Aspekte stärker berücksichtigen.
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