Es ist durchaus beruhigend, wenn sich die eigene Skepsis im Laufe der Zeit als berechtigt darstellt. Oder konnten Sie sich erklären, wie sich der Verkauf einer telemedizinischen Firma für 18,5 Milliarden Dollar rechnen sollte? Es geht um die Firma Livongo, auch im Diabetesbereich aktiv, die im Jahr 2020 für diese enorme Summe an Teladoc Health verkauft wurde, ein bisschen zu viel, wie sich bereits im darauffolgenden Jahr abzeichnete. Als Teladoc Livongo erwarb, bezeichnete man dort die Übernahme als Schlüssel zu seiner Strategie, eine App für die Grundversorgung, die chronische Pflege und andere virtuelle Dienstleistungen zu schaffen.
Der Geschäftsführer von Teladoc, Jason Gorevic, hatte nun den netten Job, seinen Investoren erklären zu müssen, dass diese Firma in Zukunft einen „ausgewogeneren“ Ansatz verfolgen will und sich eher auf die Rentabilität als auf Umsatzwachstum fokussiert – eine nette Umschreibung für einen historischen Verlust von 13,7 Milliarden Dollar im Jahr 2022, der hauptsächlich auf eine Abschreibung im Zusammenhang mit dem Wertverfall der Livongo-Übernahme zurückgeführt wird. Teladoc erzielte im Jahr 2022 immerhin einen Umsatz von 2,4 Milliarden Dollar, ein Plus von 18% gegenüber 2 Milliarden Dollar gegenüber dem Vorjahr. Dass der Aktienkurs von Teladoc in der letzten Zeit „signifikant“ gefallen ist, bedarf eigentlich keiner Erwähnung.
Teladoc Health entlässt nun 300 Mitarbeiter, was 6% der nichtärztlichen Belegschaft entspricht. Auch der Geschäftsführer von Teladoc wird das Unternehmen perspektivisch verlassen. In diesem Zusammenhang ist es aber von Interesse, den Quartalsbericht von „Rock Health“ anzuschauen, einer US-Beratungsfirma, die regelmäßig Berichte über den Bereich Digital Health herausgibt. Demnach wurden im ersten Quartal 2024 2,7 Milliarden Dollar in 133 Deals investiert, wobei die Künstliche Intelligenz ein „helles Licht“ im digitalen Finanzierungsumfeld darstellt. Der Anstieg der prozentuale Anteil der Finanzierungen von KI-gestützten Unternehmen prozentual zu den Gesamtfinanzierungen in den letzten Jahren ist insbesondere auf die KI-gestützte Arztbriefschreibsoftware Abridge und das KI-Präzisionsmedizin-Unternehmen Zephyr AI zurückzuführen. Dies war das vom Umsatz her niedrigste erste Quartal für Digital Health Venture Funding seit 2019; der Bericht schließt mit der Feststellung, dass es sich um ein schwieriges Klima für Digital-Health-Unternehmen auf den privaten und öffentlichen Märkten handelt.
Um das Bild abzurunden: Kelly Close hat nun erstmalig, so denken wir, eine tabellarische Übersicht über gut 10 digitale Coaching-Unternehmen veröffentlicht, in dem diese recht detailliert charakterisiert werden: Noom, One Drop, mySugr, Lark Health, Teladoc/Livongo, Omada Health, Cecelia Health, DarioHealth, Canary Health, Onduo und Virta. Diese Liste ist keineswegs vollständig, denn es gibt weitere Start-ups und akademische Gruppen, die an der Entwicklung kreativer digitaler Gesundheits-/Coaching-Lösungen für Diabetes und Prädiabetes arbeiten. Alle enthaltenen Informationen stammen aus öffentlich zugänglichen Informationen oder aus der eigenen Berichterstattung von Kelly. Im Großen und Ganzen veröffentlichen die Unternehmen nicht viele Detailinformationen, was es konkret erschwert festzustellen, wer Coaches einsetzt, die ausschließlich mit Diabetes arbeiten und wer sich mit einer Vielzahl von Krankheiten befassen. Eine Tabelle gibt einen vergleichenden Überblick über die Mitgliederbasis und die Programme, die von den Unternehmen angeboten werden. Der folgende Abschnitt enthält Einzelheiten zu den verschiedenen Kennzahlen der Organisationen. Interessant zu sehen ist, wie Programm die die Nutzung von GLP-1-Analoga begleiten, an Popularität gewinnen.
Fazit: Was mal als (Mega-) Hype gestartet ist, ist deutlich auf dem Boden der Tatsachen angekommen, auch hier liegt das Gold nicht auf der Straße. Vermutlich gibt es immer einen „hype cycle“ bei neuen Technologien und die Übernahme von Livongo war der Höhepunkt dabei, dieser fiel auch mit der Corona-Pandemie zusammen. In der Folgezeit hat sich „digital health“ deutlich weiterentwickelt, diese ist zu einer Art Klebstoff geworden, der alle wichtigen Komponenten in Gesundheitsbereich zusammenbringt und hält. Es gilt den erheblichen positiven Nutzen herauszustellen, den digitale Tools bei der (Selbst-)Betreuung von Menschen mit Diabetes haben. Langfristig war dies vielleicht doch eine gute Investition, denn der Markt für Telemedizin mitsamt digitaler Gesundheitsdienstleistungen wird von Finanzinvestoren als bedeutend größer geschätzt als der derzeitige Börsenwert von 15,1 Mrd. US-Dollar.
diatec weekly – April 26, 24
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