Zu diesen Nachteilen gehören beispielsweise die Notwendigkeit des Glucosesensor-Wechsels alle 10 bis 14 Tage. Auch finden manche Patienten es wenig angenehm, dass nach wie vor die Hautbarriere überwunden werden, d.h. eine Nadel eingestochen werden muss und last but not least gibt es nicht unerheblichen Kosten, die mit dieser Therapie einhergehen. Aus diesem Grund sind CGM-Systeme, die nicht auf Nadelsensoren basieren und nicht-invasiv UND kostengünstig sind, immer noch von Interesse.
Von den diversen nicht-invasiven Ansätzen, die in den letzten Jahrzehnten immer wieder vollmundig angekündigt wurden, hat es allerdings bisher kein Einziger in die alltägliche Nutzung geschafft und das liegt wohl an den Technologien, die verwendet werden, um die Glucosekonzentration in der Haut, im Schweiß, im Speichel oder in der Tränenflüssigkeit zu messen. In den meisten Fällen wird dabei versucht, die Glucosekonzentration durch einen spektroskopischen Ansatz zu messen, d.h. der Identifizierung von Chemikalien auf der Grundlage ihrer Reaktion mit elektromagnetischer Strahlung.
In den letzten Jahrzehnten haben auch mehrere israelische Firmen versucht, Systeme zur Nicht-Invasiven Glucosemessung (NIGM) zu entwickeln, bisher aber erfolglos. Dabei gab es sogar schon mal ein System, welches eine CE-Markierung bekommen hat. Aktuell entwickelt das israelische Unternehmen Hagar Technology mit GWave ein System, welches Radiofrequenzen zur Messung der Blutglucosekonzentration verwendet. Angeblich erfolgt die Messung auf diese Weise tatsächlich im Blut und nicht in der interstitiellen Flüssigkeit, wie bei fast allen anderen CGM-Systemen. Eine Kalibrierung der Messung ist deshalb angeblich auch nicht erforderlich. Das Gerät wird in Form eines Armbands am Handgelenk getragen und leitet die Messergebnisse über Bluetooth an ein Smartphone weiter.
Nun wurde beim letzten amerikanischen Diabetes-Kongress ADA im Juni 2023 auf einem Late-Breaking-Poster Machbarkeitsdaten aus einer Studie mit 75 Probanden gezeigt: 34 mit Diabetes (davon 28 mit Typ-1-Diabetes), 10 schwangere Frauen mit Diabetes und 31 Menschen ohne Diabetes. Laut den Studienergebnissen betrug die Mittlere Absolute Relative Abweichung (MARD) der GWave-Daten im Vergleich zu Blutglucosemesswerten mit handelsüblichen Messgeräten (FreeStyle Lite) und CGMs (Dexcom G6 und Freestyle Libre 2) 6,7%. Dieser MARD ist nicht nur beachtlich gut, er liegt sogar unterhalb der Messgüte der meisten anderen CGM-Systeme.
Allerdings wurden für die Vergleichsmessungen keine Labormethoden verwendet, wie sonst üblich, sondern Patientenmesssysteme. Weiterhin war die Messdauer kurz und die recht moderaten Glucose-Schwankungen lagen im Bereich von 140-180 mg/dl. Im Rahmen einer insulininduzierten Hypoglykämie, bei der die Blutglucosekonzentration von 170 mg/dL auf ~45 mg/dL absank, lagen die Messwerte des GWave dicht bei denen, die mit dem Blutglucosemesssystem ermittelt wurden, während im Vergleich zu den CGM-Systemen von Abbott und Dexcom eine „Verzögerung“ beobachtet wurde.
Fazit: Angestrebte Kosten von 100 Dollar für ein Messsystem sind deutlich niedriger als die Kosten bei anderen CGM-Systemen und es werden keine Einwegprodukte benötigt (= kein Müll). Mal schauen, wie die Messgüte mit diesem NIGM-Ansatz in „richtigen“ klinischen Studien aussieht. Zur Finanzierung dieser Studien hat Hagar eine Finanzierungsrunde in Höhe von 5 Millionen Dollar abgeschlossen, wodurch sich die Gesamtfinanzierung auf bisher 22 Millionen Dollar erhöht. Wird es dieses Mal einem Hersteller gelingen, ein erstes funktionierendes NIGM-System zu entwickeln?
diatec weekly – September 8, 23
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