Diabetes-Technologie hat sich zu einer bedeutenden Säule in der Therapie entwickelt und seitdem mit den CGM-Systemen die Glucoseverläufe kontinuierlich überwacht werden können, gilt es für Patienten mit Diabetes zu lernen, die Vielfalt an Informationen adäquat zu nutzen, um ihre Glucosewerte in den Normbereichen zu halten. Dazu ist eine gute und strukturierte Schulung notwendig, die sich von einer reinen technischen Einweisung in die Systeme deutlich unterscheidet:
Während die alleinige technische Einweisung in den bestimmungsgemäßen Gebrauch der CGM-Systeme keine positiven Effekte zeigt und eher zu schlechteren Stoffwechselergebnissen in allen genannten Bereichen führt und mit einer hohen Abbruchrate (ca. 30%) verbunden ist, fördern strukturierte Schulungsprogramme über die Vermittlung von Kenntnissen hinaus das Selbstmanagement der Betroffenen. Sie ermöglichen zudem die sichere Umsetzung der mit den Diabetologen abgestimmten Therapien und unterstützen individualisiert die Therapieadhärenz durch verhaltensmedizinische Konzepte. Darüber hinaus werden weitere Punkte in der Stellungnahme genannt:
- Strukturierte, qualitätsgesicherte Schulungen für Patienten beziehen sich auf Programme, deren Wirksamkeit durch Evaluation belegt und vom BAS (Bundesamt für Soziale Sicherung) für verwendungsfähig im Rahmen der DMP-Diabetes erklärt wurden oder die nach § 43 Abs. 1 Nr. 2 SGB V anerkannt sind.
- Diese Schulungen sind obligat vor der erstmaligen Nutzung eines CGM-Systems, aber auch in der Folge erforderlich, wenn es zu relevanten Anpassungen an neue Therapieprinzipien (z. B. AID-Systeme), neue Lebensumstände (z. B. zunehmende Selbständigkeit von Kindern) oder an Komorbiditäten (z. B. Folgeerkrankungen, Onkologie) kommt.
- Die Schulung erfolgt durch dafür in Train-the-Trainer Seminaren ausgebildeten Mitgliedern des multiprofessionellen behandelnden Diabetesteams (Diabetologen, Diabetesberater, Diätassistenten, Psychologen). Sie ist integraler Bestandteil der Langzeittherapie, d. h. sie ist nicht unabhängig von der diabetologischen Therapie zu trennen.
- Die Kosten der anerkannten Schulungen und der Unterlagen für die Patienten werden durch die GKV übernommen.
- Es liegen für die Schulung zu CGM evaluierte und publizierte strukturierte Programme vor, z. B. SPECTRUM (Versionen für Erwachsene, Jugendliche, Eltern von Kindern mit einer Insulintherapie). SPECTRUM umfasst sechs Module á 90 Minuten, die für geschlossene Kleingruppen angeboten werden.
Dies entspricht in allen Punkten dem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) vom 07. September 2016, der entsprechend der vorliegenden Evidenz in seinem Beschluss zu rtCGM unter § 3.3 eine rtCGM-spezifische Schulung der Patienten vor Nutzung dieser Technologie forderte.
Im Gegensatz zu einer strukturierten Patientenschulung ist eine technische Einweisung in ein Medizinprodukt charakterisiert durch:
- die Anpassung, Erprobung, Sicherheitstechnische Kontrolle (STK) sowie eine umfassende Einweisung des Produktempfängers und der Betreuungsperson zum sachgerechten Gebrauch, jedoch ohne die individuelle Nutzung der Daten zur Optimierung der Diabetestherapie durch die Nutzer (= Menschen mit Diabetes);
- die Einweisung erfolgt durch den Hersteller, bzw. durch von ihm beauftragte Personen (welche i.d.R. keine durch den G-BA normierte diabetologische Qualifikation haben);
- die Vergütung dieser Leistung ist mit dem vereinbarten Vertragspreis für das Hilfsmittel/ Medizinprodukt abgegolten.
Fazit in der Stellungnahme: Eine technische Einweisung durch die Hersteller bzw. Lieferanten ist für die Nutzung von CGM-Systemen notwendig, aber nicht hinreichend für eine erfolgreiche Therapie durch die Nutzer. Gleiches gilt für die Anleitung zur Selbstanwendung rtCGM. Erst die daran anschließende strukturierte und evaluierte CGM-Schulung durch die dafür qualifizierten Mitglieder des behandelnden Diabetesteams bildet die unverzichtbare Grundlage für die effektive Nutzung und das Selbstmanagement der Patienten mit Diabetes im Alltag.
Unser Fazit: Seit einiger Zeit sind CGM-Systeme Teil einer (noch) hybriden automatisierten Insulindosierung (AID-Systeme), deren Nutzung sich insbesondere unter Menschen mit Typ-1-Diabetes rasant verbreitet. In den nächsten Jahren werden wir zunehmend diese Systeme auch im Einsatz bei Patienten mit Typ-2-Diabetes sehen, ob mit oder ohne Insulintherapie. Spätestens dann sollte unbedingt die Frage nach einer strukturierten Patientenschulung geklärt sein, denn es macht wenig Sinn, teure Technologien zu erstatten und anschließend am korrekten Umgang damit zu sparen. Jeder einzelne Diabetes-Patient, der mit Hilfe der Technologie seine Glucosekontrolle im Normbereich hält, verhindert diabetes-bedingte und kostenintensive Folgeerkrankungen und benötigt möglicherweise weniger Insulin. Insofern macht die Weigerung der Krankenkassen keinen Sinn, es ist unserer Ansicht nach sogar ein Fehler im System, eine solche bedeutende Entscheidung vom Wohl oder Wehe einzelner Stakeholder abhängig zu machen.
Die gesamte Stellungnahme mit den entsprechenden Zitaten wird zeitnah in der Fachzeitschrift Diabetes, Stoffwechsel und Herz veröffentlicht. Wir danken der Arbeitsgemeinschaft Diabetes & Technologie sehr herzlich für diesen wichtigen Vorstoß.
diatec weekly – September 8, 23
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Mit freundlichen Grüßen
Erfahrungsbericht eines 76-jährigen TYP-2 Diabetiker, der seit über 15 Jahren an Diabetes erkrankt ist.
Nach ca. zwei Jahren nach der Diagnose schickte mich mein Hausarzt zu einer Diabetes-Schulung, weil er wohl merkte, dass ich zu viele unbeantwortete Fragen hatte, die er wohl alle nicht beantworten wollte. Da diese Schulung in einer Diabetes-Praxis stattfand, wechselte ich dann auch zur Behandlung in diese Praxis. Nach einiger Zeit wurde mir ein weiterer Diabetologe empfohlen, zu dem ich dann 2020 wechselte und bis heute in Behandlung bin.
2020 wurde ich dann auf ICT und CGM umgestellt. Meine Messwerte wurden ca. drei Wochen lang alle zwei bis drei Tage vom Arzt kontrolliert und er schickte mich anschließend in eine Diabetes-Klinik in einem Fach-Krankenhaus zur stationären Behandlung, Prävention und Heilung von Diabetes-Erkrankungen.
In dieser Klinik wurde ich in die Lage versetzt, meine KE-Einheiten, KE-Faktor, Insulin-Menge und Insulin-Korrekturschritt selbst zu berechnen und somit nach den vom Arzt vorgegebenen Zielwert im Zielbereiches selbstständig zu berechnen.
Um alle diese Parameter ständig im Blickfeld zu haben, habe ich eine EXCEL-Datei erstellt, um bei Messabweichungen (Gewebezuckermessungen) sofort reagieren zu können. Denn ich habe festgestellt, dass ich nur optimale Messwerte erreiche, wenn ich vor den Mahlzeiten den Zielwert erreichte. Daher ist es mein Ziel, immer optimale Messwerte bei geringstmöglichen Insulineinsatz (Basal- und Bolus-Insulin) zu erreichen.
Daher wundert es mich immer wieder, wenn mein Diabetologe nur den HbA1c-Wert im Blick hat, auf mein Tagesdiagramm im Libre3 Messgerät schaut, eventuelle „Spitzen“ kritisiert, aber nie nachfragt, wie ich meine optimalen Messwerte erreicht habe.
Fazit:
Ich lese hier im Netz immer wieder „Diabetesteam“. Leider wurde ich von so einem Team noch nie behandelt. Ich musste mir alles selbst erlernen nach einer vor Jahren erfolgten Schulung und einem Diabetes-Klinik Aufenthalts letztmalig vor zwei Jahren.
Bei mir haben sich im laufe der Zeit jede Menge Fragen angesammelt, die weder in der Schulung noch von meinem Diabetologen abgeklärt wurden. Als ich vor einigen Wochen einige Fragen beantwortet haben wollte wurde mir erklärt, dass ich eine Schulung und einen Aufenthalt in einer Diabetes-Klinik hatte und somit weitere Auskünfte von der Krankenkasse dem Arzt NICHT finanziert werden. Ich dachte, ich sitze im falschen Boot.
Als interessierter ständiger Leser Ihres Newsletters wollte hier mal aufzeigen, wie weit die Praxis von der Theorie entfernt ist. Vielen Dank für all Ihre Informationen.