Vermutlich war die Zulassung von Tzield durch die FDA ausschlaggebend für den Deal, denn dieser immuntherapeutische Ansatz zur Verzögerung der Entwicklung eines Typ-1-Diabetes könnte einen großen Schritt nach vorne bei der Behandlung dieser Autoimmunerkrankung bedeuten. Bei einer Sitzung des Ausschusses der FDA im Jahr 2021 haben sich sowohl Ärzten als auch Patienten, die an einer Studie mit diesem Medikament teilgenommen haben, nachdrücklich für dessen Zulassung ausgesprochen. In einem Panel haben 75% der 1.112 Teilnehmer eine positive oder neutrale Reaktion auf Teplizumab geäußert und wenn tatsächlich so viele Patienten dies so positiv sehen, dann könnte dies ein Blockbuster werden, Analysten gehen von einem Spitzenumsatz von 1,2 Milliarden Dollar im Jahr 2030 aus.
Teplizumab, so der Name des Wirkstoffs, ist ein humanisierter monoklonaler Anti-CD3-Antikörper und die erste zugelassene Behandlung, um die Manifestierung von Typ-1-Diabetes im Stadium 3 bei Menschen ab 8 Jahren im Stadium 2 zu verzögern. Dabei wurde die Fc-Region dieses Antikörpers so verändert, dass sie Fc-Rezeptor-nicht-bindende (FNB) Eigenschaften besitzt. Die Wirkmechanismen von Teplizumab scheinen eine schwache agonistische Aktivität auf die Signalübertragung über den T-Zell-Rezeptor-CD3-Komplex zu umfassen, die mit der Entwicklung von Anergie, fehlender Reaktionsfähigkeit und/oder Apoptose, insbesondere bei unerwünschten aktivierten Teff-Zellen, verbunden ist. Darüber hinaus werden regulatorische Zytokine freigesetzt und regulatorische T-Zellen expandiert, was zur Wiederherstellung der Immuntoleranz führen kann.
Gleichzeitig gilt es die Risiken zu sehen: Bei der Abstimmung in einem Expertengremium zur Zulassung durch die FDA stimmte das Gremium nur mit 10:7 Stimmen dafür. Gründe für das Zögern einiger Experten waren Fragen zum therapeutischen Nutzen, zum Umfang der Evidenzbasis und zu den langfristigen Sicherheitsrisiken. Es gibt auch deutliche praktische Bedenken: Die 14-tägige Behandlung mit Tzield kostet mehr als 190.000 Dollar. Provention hat zwar eine Reihe von Programmen aufgelegt, die den Zugang zu Tzield für Menschen erleichtern sollen, die sich diese sonst nicht leisten könnten, trotzdem wird dieser Preis Patienten, Verschreiber und Kostenträger gleichermaßen schockieren.
Es wird also spannend sein, ob und wie Sanofi bei den Kosten Anpassungen vornimmt. In Anbetracht der Höhe der Investition von 2,9 Milliarden Dollar dürften diese eher moderat ausfallen. Viele der Menschen mit einem Risiko einen Typ-1-Diabetes sind Kinder und für diese stellt eine 14-tägige Infusion von Teplizumab sicher eine hohe Hürde dar, zumal die Eltern sich verpflichten müssen, ihr Kind für bestimmte aufeinanderfolgende Tage in ein Krankenhaus zu bringen.
Nun gibt es Entwicklungsbemühungen zu einer Formulierung, die subkutan appliziert werden kann. Bei der Phase-3-Studie mit dem Namen PROTECT war es für die Zulassung entscheidend, dass ausschließlich Kinder und Jugendliche im Alter von 8 bis 17 Jahren eingeschlossen wurden und nun wird evaluiert, wie der Nutzen von Tzield bei Kindern im Alter von 2 bis 8 Jahren ist. Eine Hauptfrage wird aber diese hier sein: Wie identifiziert man Menschen, bei denen eine solche Therapie wirklich Sinn macht und werden diese bereit sein, sich dieser Prozedur zu unterziehen bzw. die Kosten dafür zu übernehmen, wenn die Kostenträger in Deutschland dies nicht tun?
Fazit: Für Sanofi passt diese Aktivität im Diabetesbereich eigentlich nicht in die Unternehmensstrategie, zumindest nicht in diejenige, die in den letzten Jahren vertreten wurde. Ob dies aber nur mit dem ausgeprägten Interesse von Sanofi an der Immunologie zu erklären ist, oder doch auch wieder ein erster Schritt in den Diabetes-Bereich ist, bleibt abzuwarten. Sanofi verkauft ja nach wie vor in großen Maßstab Insulin und bringt nun einen Smart-Pen auf den Markt, hat eine DiGA in der Entwicklung etc. Aber der hier verfolgte therapeutische Ansatz ermöglicht auch eine gezielte Behandlung angeborener Immunität bei Zöliakie, Lupus, Immunogenität bei einer Gentherapie sowie einer Coxsackie B (CVB)-Infektion. Diese Ansätze werden schon in klinischen Studien evaluiert und könnte deshalb das Engagement von Sanofi bei chronischen Erkrankungen wie Ekzemen, Arthritis und chronisch obstruktive Lungenerkrankungen verstärken. Damit stellt diese Übernahme für Sanofi einen wichtigen strategischen Schritt dar.
Wenn wir solche Stories lesen, glauben wir auch, dass jedes Start-Up irgendwann ein solcher „Erfolg“ werden wird, bekommen aber üblicherweise nicht mit, wie viele solcher Firmen es eben nicht schaffen und irgendwann die jeweilige Entwicklung eingestellt wird, gepaart mit einem Bankrott und entsprechenden Verlusten für die Investoren.
DiaTec weekly – März 24, 23
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