Kurze Antwort: Ja! Längere Erklärung: Dieser Parameter soll dazu beitragen, die Glucose-Messwerte der CGM-Systeme prägnanter und einfacher darzustellen und gleichzeitig den Nutzern eine aussagekräftige Analyse mit einer Kennzahl zu liefern. So enthält das heute in vielen Auswertungen von CGM-Daten verwendete „ambulante Glukoseprofil“ sieben Metriken: Zeit mit sehr niedrigen Glucosewerten (<54 mg/dL), Zeit mit niedrigen Glucosewerten (<70 mg/dL), Zeit im Zielbereich (TiR; 70 – 180 mg/dL), Zeit mit hohen Glucosewerten (>180 mg/dL), Zeit mit sehr hohen Glucosewerten (>250 mg/dL), Variationskoeffizient und mittlere Glucosekonzentration. Bisher gab es aber nicht eine einzelne Kennzahl, die Aufschluss darüber gibt, wie viel Zeit eine Person mit Diabetes in welchem Glucosebereich verbringt. Eine Analyse aller sieben Metriken, die die Glucoseverläufe über ein 14-tägiges Profil hinweg beschreiben, erfordert eine gewisse Erfahrung. Die Nutzung der TiR alleine zur Beurteilung der Güte der Glucosekontrolle erlaubt eben keine vollständige Charakterisierung, diese Zahl sagt nichts darüber aus, ob die Glucosekonzentration eines Patienten zu hoch oder zu niedrig ist, und sie sagt nichts darüber aus, ob diese sehr hoch oder nur hoch ist und sie sagt auch nichts darüber aus, ob sie niedrig oder sehr niedrig ist. Außerdem fehlt eine Aussage zur Variabilität der Glucosewerte.
Die neue Metrik mit dem Kürze GRI berücksichtigt alle diese Informationen und liefert einen Wert im Bereich zwischen 0 bis 100, wobei eine niedrige Zahl auf eine bessere Kontrolle und eine hohe Zahl auf eine schlechtere Kontrolle hinweist. Anhand dieser Zahl können Patienten und Diabetesteam die Güte der Glucosekontrolle schnell und auf einen Blick beurteilen.
Zur Entwicklung des GRI wurden 14-tägige CGM-Aufzeichnungen von 225 erwachsenen Patienten mit Diabetes analysiert. Diese führten alle eine Insulintherapie durch und die Daten wurden bei vier verschiedenen klinischen Studien gewonnen. Die Glucoseprofile wurden von 330 Diabetesexperten aus sechs Kontinenten bewertet, wobei diese in ihrer klinischen Praxis mindestens 20 CGM-Aufzeichnungen pro Monat analysieren. Diese Experten stuften jeweils 15 der 225 Messwerte in Bezug auf die Güte der Glucosekontrolle von der besten bis zur schlechtesten Güte ein. Parallel dazu wurden mit Methoden der sogenannten „principal component“-Analyse Schlüsselfaktoren identifiziert, die die Variabilität der Glykämie bestimmen. Weiterhin wurden zusätzliche komplexe Auswertungstechniken des maschinellen Lernens eingesetzt, um die Einstufungen der Kliniker vorherzusagen. Es stellte sich heraus, dass man die sieben Messgrößen in zwei Komponenten zusammenfassen kann: In eine Komponente für die Hypoglykämie und eine für die Hyperglykämie. Mit Hilfe einer linearen Regression gewichteten die Forscher dann die erhaltenen Elemente so, dass sie den Aussagen der 330 Diabetes-Experten am besten entsprachen. Die höchste Gewichtung wurde der Zeit mit sehr niedrigen Glucosewerten zugewiesen, gefolgt von der Zeit mit niedrigen Glucosewerten, der Zeit mit sehr hohen Glucosewerten und der Zeit mit hohen Glucosewerten. Die Gleichung zur Berechnung des GRI sieht demzufolge so aus: (3 x % Zeit mit sehr niedrigen Werten) + (2,4 x % t Zeit mit niedrigen Werten) + (1,6 x % Zeit mit sehr hohen Werten) + (0,8 x % Zeit mit hohen Werten).
Durch die separate Hypo- und Hyperglykämie-Komponente können die Nutzer besser einschätzen, welche Therapieanpassungen notwendig sind, wenn ein Patient einen hohen GRI aufweist. Solche konkreten Hinweise zur Therapieanpassung, um Hypo- oder Hyperglykämie zu vermeiden, sollten Anklang finden.
Fazit: Der GRI kann auf unterschiedliche Art und Weise sowohl in der klinischen Praxis als auch bei diversen Forschungsfragen eingesetzt werden. So kann dieser Index auch dazu verwendet werden, das Risiko eines Patienten für die Entwicklung von Komplikationen zu bewerten. Der GRI kann insbesondere für Nicht-Fachleute von Hilfe sein, da er eine einfache Möglichkeit zur Interpretation von CGM-Daten darstellt. Er kann auch bei der Fernüberwachung von Patienten hilfreich sein, da er eine rasche Unterscheidung von Patienten die zusätzliche Hilfe benötigen von solchen die gut laufen ermöglicht.
Es bleibt abzuwarten, ob sich der GRI zu einem Standardparameter zur Beurteilung der Güte der glykämischen Kontrolle bei Menschen mit Diabetes entwickelt oder nicht. Dies wird sehr davon abhängen, ob und wie es gelingt den Anwendern zu vermitteln, dass dieser Index ein umfassenderes und besseres Bild vermittelt als die etablierten Messgrößen, wie HbA1c und TiR. In diesem Sinne wird in dem publizierten Artikel wird ein Vergleich von TiR und GIR mit den Einstufungen der Kliniker gezeigt, hier korreliert der GRI besser mit den Einstufungen als die TiR (R2 = 0,904 vs. 0,824; P<0,00001). Wichtig wird auch sein, ob die Hersteller von CGM-Systemen diesen Index mit in die Auswertungsprogramme der Daten aufnehmen. Die Diabetes-Technology-Society hat schon eine entsprechende Website etabliert und eine App zur Berechnung des GRI soll in Kürze (in den USA) verfügbar sein.
- Klonoff DC, Wang J, Rodbard D, Kohn MA, Li C, Liepmann D, et al. A Glycemia Risk Index (GRI) of Hypoglycemia and Hyperglycemia for Continuous Glucose Monitoring Validated by Clinician Ratings. J Diabetes Sci Technol. 2022:19322968221085273. Epub 20220329. doi: 10.1177/19322968221085273. PubMed PMID: 35348391.
DiaTec weekly – Mai 13, 22
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Mit freundlichen Grüßen
Super Sache. Bitte lasst uns den GRI zukünftig nutzen. Endlich ein KPI, der die Güte der Therapie zeigt.