von Ulrike Thurm, Berlin
Um eine Insulinpumpentherapie oder – wie heute in den meisten Fällen – eine sensorunterstützte Insulinpumpentherapie (SuP) erfolgreich durchführen zu können, brauchen Patienten mit Diabetes Wissen, Motivation, Engagement, Ausdauer und Erfahrung. Um sich all dies anzueignen, muss der angehende Nutzer einer SuP sowohl die technischen als auch die diabetologischen Grundlagen davon kennen und anwenden können. Demzufolge sollte er vor Beginn der SuP-Therapie sowohl eine umfassende technische Einweisung in die Handhabung der Systeme als auch eine therapeutische Schulung in die Feinheiten der diabetologischen Therapieanpassung erhalten.
Vergleichen lässt sich das mit dem Erlangen eines Führerscheins: Eine Fahrerlaubnis erlangt nur der Fahrschüler, der sowohl die theoretische als auch die praktische Fahrprüfung bestanden hat. Eine SuP zu betreiben wäre hier als Vergleich, ein Auto mit 4 platten Reifen zu fahren, ohne die Verkehrsregeln zu kennen – man kommt irgendwie voran, aber es ist sehr holprig und man kann im schlechtesten Fall als Geisterfahrer im Gegenverkehr enden.
Viele Patienten haben aktuell jedoch niemals eine intensive Insulinpumpen- oder CGM-Gruppenschulung erhalten. Wenn wir einen neuen Patienten in der Praxis aufnehmen und ihn fragen, ob er bereits geschult wurde, antworten die meisten mit voller Überzeugung: „Natürlich, da ist ein Mitarbeiter der Firma gekommen und hat mir eine Stunde lang die Insulin-Pumpe oder das CGM-System erklärt.“
Nun handelt es sich bei den meist von freien Mitarbeitern der Firmen durchgeführten Unterweisungen um eine technische Einweisung und eben NICHT um eine diabetologische Schulung! Worin aber besteht der Unterschied zwischen einer technischen Einweisung und einer Insulinpumpen- (z.B. mit INPUT) oder CGM-Schulung (z.B. mit SPECTRUM)?
In früheren Zeiten wurden Umstellungen auf eine neue Therapieform über 5 – 14 Tage stationär durchgeführt. In dieser Zeit hatte der angehende SuP`ler die Zeit und Muße, sich eine Woche lang ausschließlich mit seinem Diabetes und der neuen Technologie zu beschäftigen, ohne dass das normale Leben mit Arbeit, Haushalt, Familie, Home Schooling etc. „nebenbei“ bewältigt werden musste. In diesen 1 – 2 Wochen wurden Basalratentests durchgeführt, bei den gemeinsamen Mahlzeiten die BEs abgewogen und die IE/BE Verhältnisse ausgetestet. Bei sportlichen Aktivitäten wurden temporäre Basalratenreduktion in Theorie und Praxis einprogrammiert und ausgetestet, beim abschließenden Essen in z.B. einer Pizzeria wurden unterschiedliche Bolusvariationen für große Kohlenhydratmengen (BE/KE) oder Fett und Eiweiß (FPE) zusammen eingestellt, abgegeben und auf ihre Funktionalität hin individuell ausgetestet. Man hat zusammen einen täglichen Wechsel des Infusionssets durchgeführt, dabei die unterschiedlichen Kathetersysteme kennen gelernt, die Handhabung geübt und sich nach ausführlichem Austesten für das individuell passende Infusionsset entschieden.
Beides, sowohl die technische Einweisung als auch die therapeutische Schulung sind unabdingbar für ein funktionierendes Umsetzen einer solch komplexen Therapieform und sollten aufeinander aufbauen.
Zurück zum Vergleich mit der Fahrschule: Zuerst erfolgt ein Theorietraining: WIE führe ich die Aktionen aus? Was ist ein Gas- und was ein Bremspedal, was ist ein Lenkrad und wo liegen die jeweils?
Das ist zu vergleichen mit der technischen Einweisung: Wie programmiere ich eine Basalrate und wie verändere ich diese temporär? Wie gebe ich einen Bolus ab, welche Bolusvariationen gibt es und wie programmiere ich diese? Die technische Einweisung durch die Herstellerfirmen beschäftigt sich mit dem WIE der Programmierung und Einstellung der Insulinpumpe oder des CGM-Systems.
Beim Start einer CSII oder SuP-Therapie sollte im Abstand von ein bis zwei Wochen die therapeutische Schulung erfolgen, damit der Nutzer ausreichend Zeit hat, sich mit den Funktionen seines CGM-Systems vertraut zu machen oder mit Kochsalzlösung in der Pumpe alle Funktionen üben zu können.
In der therapeutischen Schulung werden die für den individuellen Patienten passenden Faktoren (die „echte“ Basalrate, die passenden Parameter im Bolusrechner und die individuellen Alarmgrenzen und Alarmarten im CGM-System) gemeinsam mit dem Diabetesteam festgelegt und eingestellt.
Kommen wir nun zu den Punkten, die für eine therapeutische Schulung wichtig sind und ohne deren Umsetzung eine solche Therapieform zwar laufen kann, aber, wie im Beispiel mit dem Auto, ohne Luft in den Reifen und ohne Kenntnisse der Verkehrsregeln, so dass das Fahrerlebnis zu wünschen übriglässt.
- Das Herzstück: Die Basalrate
Die Basalrate ist das Fundament einer guten und stimmigen CSII/SuP. Deshalb ist die Einstellung der Basalrate in der stationären/ambulanten mehrtägigen Gruppenschulung ein wesentlicher Bestandteil der täglichen Therapieanpassung. Es werden zu den unterschiedlichen Tageszeiten so lange Basalratentests durchgeführt, bis die CGM-Werte entsprechend passen. Im Krankenhaus oder im Rahmen der ambulanten Gruppenschulung sind der Biorhythmus und die eingenommenen Mahlzeiten meist festgelegt, abgewogen und variieren nicht stark. Deshalb kommt es häufig vor, dass die unter stationären Bedingungen ausgetestete Basalrate unter Alltagsbedingungen keinesfalls mehr passend ist. Außerdem ist bei den meisten Menschen der Alltag oft nicht so strukturiert und die Mahlzeiten nicht so abgewogen. Was heißt das für die Feinjustierung der basalen Insulinzufuhr?
One size does NOT fit all – was soll das hier bedeuten? Logisch, dass nicht eine Basalrate für alle Menschen mit Diabetes passt. Aber das meinte ich auch nicht, was ich mit: „One size does NOT fit all“ sagen will. Eine Basalrate passt auch nicht bei einem Menschen an jedem Tag, es sei denn, dieser Mensch hat identischen Tagesablauf an jedem Tag, steht immer zur gleichen Zeit auf, bewegt sich im gleichen Zeitraum mit identischer Belastungsform und Zeitdauer, arbeitet jeden Tag mit derselben Arbeitsbelastung und geht immer zur selben Zeit schlafen. Ja, diese Menschen – böse Zungen behaupten sowas von Beamten mit Bürotätigkeit 😉 – gibt es. Aber in der heutigen dynamischen Zeit mit flexiblen Arbeitszeiten, Home Office, Work – Life Balance etc. gibt es viele Menschen, die an manchen Tagen früher aufstehen oder schlafen gehen als an anderen Tagen, sich am Wochenende anders körperlich betätigen als in der Woche. Die nicht täglich zur selben Zeit den identischen Sport machen, sondern einmal die Woche ins Fitnessstudio, an einem anderen Tag Joggen gehen und manchmal am Wochenende Gartenarbeit machen oder eine Radtour unternehmen oder einfach bei schlechtem Wetter einen Tag auf dem Sofa chillen. Dann passt diese EINE Basalrate für denselben Menschen eben NICHT für jeden Tag und muss entsprechend angepasst werden.
Für die Anpassung einer Basalrate gibt es zwei Möglichkeiten:
- Gezielter Einsatz von alternativen Basalratenprofilen – ein Beispiel:
Anna geht auf ein Sportinternat und möchte gerne in den Nationalkader der deutschen Volleyballfrauen aufgenommen werden. Deshalb ist es für Anna extrem wichtig, dass Sie jeden Tag, auch beim Training und im Internatssport, Spitzenleistungen auf höchstem Niveau abrufen kann. Das gelingt Ihr aber nur, wenn Ihre Glukosewerte dabei nicht Achterbahn fahren. Da bei Anna der Stundenplan jeden Tag komplett anders aussieht – an einem Tag ist morgens vor dem Frühstück eine Laufeinheit angesetzt, an einem anderen Tag sind die ersten beiden Stunden nach dem Frühstück Volleyballtraining, am nächsten Tag hat Sie in diesen Stunden Mathematik oder Englisch, sitzend im Klassenzimmer etc. – hat Anna sieben unterschiedliche Basalratenprofile in Ihre Pumpe programmiert, die sie sinnigerweise auch so benannt hat: Montag, Dienstag….Freitag und dann gibt es noch: Wochenende mit Wettkampf und freies Wochenende.
Jeden Morgen nach dem Aufstehen stellt Anna Ihr individuelles Basalprogramm ein. Dank der technischen Einweisung weiß Anna, wie sie das mit ein paar Knopfdrücken erledigen kann und Dank der diabetologischen Schulung hat Anna das für jeden Tag auf Ihre Belastung abgestimmtes Basalprofil passend einprogrammiert.
Deshalb ist es wichtig, dass alle Nutzer einer SuP wissen, in welchen Situationen Sie eine alternative Basalrate (Schichtdienst, Zyklus bei Frauen, Partybasalrate, Wochenende und Wochentage mit unterschiedlichen körperlichen Belastungen etc.) einprogrammieren oder wann Sie eher eine temporäre Veränderung Ihres Basalratenprofils einsetzen können.
- Gezielter Einsatz von temporären Basalratenänderungen:
Dann gibt es diese saisonalen Phänomene. An extrem heißen Sommertagen kommen die Patienten in die Praxis und sagen: „Oh, bei dieser Hitze habe ich plötzlich ganz viele niedrige Glukosewerte.“ Oder im Winter: „Meine Werte sind in den letzten Wochen so hoch gewesen, weil ich einen grippalen Infekt hatte.“
Klar, Veränderungen der Insulinempfindlichkeit durch Bewegung, Temperatur, Krankheit, Alkoholkonsum etc. wirken sich ganz erheblich auf den Glukosestoffwechsel aus, wenn diese Veränderungen NICHT durch eine temporäre Anpassung der Basalrate und der Bolusgaben berücksichtigt werden.
Deshalb ist es wichtig, dass die Nutzer einer SuP wissen, wie (technische Einweisung) und wann (therapeutische Schulung) Sie eine Basalrate temporär erhöhen oder reduzieren können, damit die Glukosewerte nicht so holperig (Auto mit Reifen ohne Luft!!!) laufen.
- Der Bolus – BE ist nicht gleich BE und Bolus nicht gleich Bolus
Der Bolus – eigentlich eine einfache Sache, wenn das Einheiten/BE oder KE Verhältnis richtig ausgetestet sind, die dazu passenden Korrekturfaktoren ebenfalls, idealerweise alles im Bolusrechner eingespeichert muss der Pumpenträger nur noch die richtige Menge an Kohlenhydraten (manchmal ist nochmaliges Wiegen, um die „Augenwaage“ ab und an wieder zu eichen sehr hilfreich) eingeben und die passende Insulinmenge sollte „laufen“.
Wie all diese Parameter einzuprogrammieren sind und welche unterschiedlichen Bolusvariationen es gibt, sollte der Pumpenträger in der technischen Einweisung vermittelt bekommen und im Anschluss entsprechend üben können. Aber jeder Mensch mit Diabetes und auch die Diabetesteams wissen aus Erfahrung: Soweit ist alles gut – in der Theorie. Doch in der Praxis stellen alle Beteiligten fest, dass die CGM-Kurven oft trotz korrekter Faktoren deutlich anders verlaufen als geplant.
Hier setzt dann die diabetologische Schulung ein, denn damit sich die postprandialen Verläufe nicht immer zu quasi willkürlich erscheinenden Berg- und Talfahrten entwickeln, gehört zum passenden Bolus-Management wesentlich mehr. Damit alles passt und die „Fahrt der Glukosewerte“ in der Spur bleibt, müssen von den Patienten noch viele weitere Parameter mit dem Diabetesteam besprochen werden.
Die aktuelle Glukosetendenz bestimmt zum Beispiel das Timing des Bolus, eine steigende Glukosetendenz erfordert ggf. einen deutlich längeren Spritz-Ess-Abstand und eine deutlich fallende Glukosetendenz kann diesen evtl. sogar überflüssig machen. Die Nahrungszusammensetzung ist ebenfalls von Bedeutung, in einer gezielten Ernährungsberatung (therapeutische Schulung) spielen deshalb Parameter wie der glykämische Index, der Anteil der FPE-Einheiten, die Resorptionszeit der aufgenommenen Kohlenhydratmenge etc. eine entscheidende Rolle.
Der SuP Nutzer lernt in der technischen Einweisung, welche Bolustypen es gibt und wie er diese einstellen kann. In der therapeutischen Schulung (z.B. INPUT und SPECTRUM) erfährt er anschließend, wann er welchen Bolustyp in der entsprechenden Einstellung einsetzen kann, damit die CGM-Kurve nach der Mahlzeit nicht aus dem Ruder läuft.
Wenn der SuP Nutzer nicht weiß, wie er einen dualen Bolus in seiner Insulinpumpe einprogrammieren kann oder andersrum, er auch nicht weiß, wofür er diese Bolusvariation denn nutzen sollte, sind wir wieder bei dem Auto mit den Reifen ohne Luft – das muss dann ein CGM-Schlingerkurs werden.
- Die Infusionssets – der Weg des Insulins in den Körper
Ist dies überhaupt ein Thema? Das Insulinset ist dazu da, dass das Insulin hindurchläuft und in den Körper gelangt, fertig! Aber – diesem zentralen Bestandteil der Insulinpumpentherapie wird oft viel zu wenig Bedeutung geschenkt.
Hier sei der Vergleich mit einem Bremsschlauch erlaubt: Wenn der sich löst oder nicht richtig befestigt oder porös ist, dann kann der Fahrer noch so fest und zeitig auf das Bremspedal treten, er wird den Wagen nicht stoppen können und landet ungebremst im Graben oder im vor ihm fahrenden Auto.
Welche unterschiedlichen Infusionssets es für die entsprechende Insulinpumpe gibt, erfährt der Pumpenträger in der technischen Einweisung. Meistens liegen auch unterschiedliche Kathetermodelle im „Pumpenkoffer“ dabei (dies gilt nicht für Patchpumpen, diese haben ja keine sichtbaren Infusionssets).
Doch für welche Infusionssets* der CSII-Nutzer sich dann entscheidet, wie und wo er diese legt und wechselt, all das gehört in den Bereich der therapeutischen Schulung. Deshalb ist es wichtig, dass bei einem Wechsel der Insulinpumpenmarke auch der Wechsel der dazugehörigen Infusionssets in der technischen Einweisung besprochen wird. Hat der Pumpenträger bis jetzt Stahlkatheter verwendet, sollte er bei der technischen Einweisung auf die Stahlkatheter-Modelle des neuen Pumpenherstellers verwiesen werden – eine Umstellung von z.B. Stahl- auf Tefloninfusionssets im Rahmen einer technischen Einweisung stellt somit einen Eingriff in die Therapiehoheit des betreuenden Diabetesteams dar.
Dazu ein Beispiel:
Ein Patient hatte bis zum Wechsel der Insulinpumpe (Medtronic 522 zu AccuChek Spirit Combo) ausschließlich Tefloninfusionssets (Medtronic Quick Set) genutzt. Jetzt erhielt er einen AccuChek Rapid D Link-Stahlkatheter und versuchte, den Rapid D inklusive Plastikschutzhülle in seinen Bauch zu rammen, da er glaubte, die Stahlkanüle sei die Führungsnadel, die dann nach dem Legen entfernt würde und die Plastikschutzhülle die Teflonkanüle. Autsch!
Zurück zum Bremsschlauch, egal wie gut ein Fahrer oder das Auto ist, wenn die Bremsen versagen hat er ein massives Problem!
Eine ähnliche Bedeutung kommt bei der Insulinpumpentherapie dem Gebrauch der Infusionssets zu. Wenn das Insulin nicht adäquat (= in der richtigen Dosierung zum richtigen Zeitpunkt) in den Körper gelangt, kann die Therapie noch so ausgefeilt und angepasst sein – sie wird nicht funktionieren. Deshalb ist die therapeutische Schulung des Infusionssets ein zentraler Punkt bei der diabetologischen Betreuung. Das Setzen und Wechseln des Infusionssets sich ab und an einmal praktisch zeigen zu lassen, hat auch nichts mit übergrifflicher Kontrolle der Pumpenträger zu tun – auch Bremsschläuche werden routinemäßig bei den Inspektionen getestet und überprüft.
Auch Liegedauer und -ort eines Infusionssets sollte immer mal wieder in der diabetologischen Sprechstunde thematisiert werden. Denn die stimmigste Basalrate und die passendsten IE/BE sowie Korrekturfaktoren können nicht mehr passen, wenn die Liegedauer (Stahlkatheter 24-48 Stunden, Teflonkanülen 48-72 Stunden) überschritten oder der Liegeort der Nadel des Infusionssets (am Bauch ist die Insulinaufnahme meist deutlich schneller als z.B. am Gesäß) plötzlich gewechselt wird.
- AID – Systeme mit prädiktiver Hypoglykämieabschaltung/Hybrid Closed Loop
„Wenn das die Lösung ist, hätte ich gerne meine Probleme zurück!“ – So haben sich viele Nutzer gefühlt, nachdem Sie das 670G Hybrid AID-System in Betrieb genommen, ohne dafür eine umfassende zusätzliche Schulung im Umgang mit dieser neuen Technologie bekommen zu haben. Diese AID-Technologie kann eine unglaubliche Verbesserung der Stoffwechsel- und Lebensqualität der Anwender bewirken, wenn diese entsprechend technisch eingewiesen und therapeutisch geschult wurden. Wenn die Technik anfängt, aktiv in die Therapie einzugreifen, braucht es deutlich mehr Informationen und nicht weniger Schulung, damit das reibungslos ablaufen kann. Wenn z.B. die Basalrate vorausschauend durch den Algorithmus heruntergefahren wird, um eine drohende Hypoglykämie zu vermeiden und der Nutzer dieser SuP-Therapie zusätzlich seine gewohnte Menge an Not-BE konsumiert, schießen die Werte logischerweise deutlich nach oben, weil die zu niedrigen Glucosewerte ja sozusagen doppelt bekämpft wurde – mit der vorausschauenden Abschaltung der Basalrate und dann noch mit zusätzlichen Kohlenhydraten. Der Nutzer eines solchen Hybrid AID-Systems muss deshalb gemeinsam mit seinem Diabetesteam erfolgreiche Strategien erarbeiten, in welchen Situationen er den Algorithmus alleine arbeiten lässt und wann es erforderlich ist, trotz abgeschalteter Basalrate noch zusätzliche Kohlenhydrate aufzunehmen.
Auch das Thema Ketoazidose muss in diesem Zusammenhang intensiv nachgeschult werden, denn einige Menschen mit einem Typ-1-Diabetes reagieren sehr empfindlich auf einen kompletten Stopp der Insulinzufuhr. In seltenen Fällen kann sich eine Ketoazidose durchaus schon nach 2-stündiger kompletter Basalratenabschaltung entwickeln, deshalb gehört in die Schulung eines SuP-Nutzers Themen wie: Ursachen einer Ketoazidose, Symptome, Therapie anhand von Blut-Ketonmessungen (NICHT Urin-Messung). Jeder SuP-Nutzer sollte sein individuelles Ketoazidose-Schema greifbar haben: Wie viele Einheiten Insulin spritze ich mit einer Einmalspritze (ggf. den Gebrauch von Einmalspritzen schulen) bei welchen Blutzucker- und Blut-Ketonwerten?
Noch komplexer wird es mit Algorithmen, die eigenständig die Insulinzufuhr erhöhen. Denn wenn dann z.B. eine Hypoglykämie aus „alter Gewohnheit“ doppelt behandelt wird, reagiert das AID-System mit einer deutlichen Erhöhung der Basalrate, so dass eine Achterbahnfahrt der Glukosewerte quasi unvermeidlich wird.
Damit die Nutzer eines AID-Systems von solchen negativen Erfahrungen verschont bleiben, hat z.B. die Firma Medtronic mit Ihrem StartRight Programm ein Kompetenzteam zusammengestellt, die die Nutzer der 670G auf Ihrem Weg zu einer erfolgreichen AID-Therapie unterstützen. Dieses erweiterte Tool der technischen Einweisung bietet den Nutzern der 670G die Möglichkeit, das StartRight-Team in den ersten 3 Monaten nach der Umstellung auf dieses System bei Problemen telefonisch kontaktieren zu könne. Die 670G-Nutzer werden vom StartRight Team in regelmäßigen Abständen telefonisch oder per E-Mail kontaktiert und bei Fragen und Problemen aller Art unterstützt.
In der therapeutischen Schulung sollten die Diabetesteams mit den Nutzern solcher AID-Systeme besprechen, wie diese mit körperlicher Aktivität, Alkoholkonsum oder akuten Erkrankungen umgehen, wenn sich ganz plötzlich die Insulinempfindlichkeit drastisch ändert. Gerade bei intensivem Sport (z.B. hohe Kraft-Ausdauer Belastungen über einen längeren Zeitraum) reicht es bei vielen Nutzern der 670 G nicht aus, nur den Zielwert auf 150 mg/dl zu erhöhen. Manche Sportler gehen vor intensiven Trainingsbelastungen dann dazu über, den Auto-Mode der 670 G ca. 1-2 Stunden vor Belastungsbeginn zu deaktivieren, die Basalrate wieder manuell um ca. 50-70% zu reduzieren etc. In diesen besonderen Lebenssituationen können die meisten AID-Algorithmen nur stabile Glukosekurven produzieren, wenn der SuP-Nutzer nach ausführlichem Austausch mit seinem Diabetesteam individuelle Anpassungen vornimmt.
„Wenn du glaubst, dass es funktionieren wird, wirst du Chancen sehen. Wenn du glaubst, dass es das nicht wird, wirst du Hindernisse sehen.” – Wayne Dyer
Wenn wir nach diesem Prinzip arbeiten und mit der technischen Einweisung durch kompetente Firmenmitarbeiter das Fundament für eine erfolgreiche und strukturierte Insulinpumpen- und CGM-Schulung durch das Diabetesteam legen, dann profitieren am Ende Alle davon, am allermeisten aber die Patienten als Nutzer einer sensorunterstützten Insulinpumpentherapie.
DiaTec weekly – April 23, 21
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