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Bei einer Reihe von technologischen Ansätzen wird inzwischen nicht mehr nur ein Medizinprodukt eingesetzt, sondern eine Kombination von Produkten (= Module) werden zu einem neuen Gesamtsystem kombiniert. So werden für ein System zur Automatisierten Insulin-Dosierung (AID) ein CGM-System, die Software mit Algorithmus und eine Insulinpumpe zu einem neuen Produkt miteinander verbunden. Hier ein paar Beispiele: Das DBLG1-AID-System der französischen Firma Diabeloop besteht aus: Einem Dexcom G6-rtCGM-System, einer ViCentra Kaleido-Insulinpumpe, dem Algorithmus von Diabeloop, der auf einem dezidierten Handset läuft und der YourLoops-Plattform, einer Diabeloop-Webpage zur Datenvisualisierung.
Darf dabei die Frage erlaubt sein, für was das Unternehmen Diabeloop hier im regulatorischen Sinne die Verantwortung trägt? Und was ist eigentlich ein dezidiertes Handset? Zur Klärung: Dies ist das Teil, welches so aussieht wie ein Smartphone, weil es früher mal ein Smartphone war, jetzt aber ausschließlich zur Bedienung des Systems genutzt wird. Das Handset hat folgende Aufgaben: Empfang der Glucosewerte des CGM-Systems, Fernsteuerung der Pumpe, Anzeige sämtlicher Behandlungsparameter (aktueller CGM Wert, Trend, aber auch alle Fehlermeldungen, Warnungen und Informationen zu CGM und Pumpe) und Hosten des Algorithmus. Um eine Verwechslung mit den üblichen Smartphones zu vermeiden – und um zu vermeiden, dass die Leute denken, der Algorithmus wäre eine App zum Installieren auf dem privaten Handy, nennt Diabeloop das Bedienelement also ein „Handset“.
Für sein modulares AID-System hat Diabeloop ein CE-Kennzeichen nach Artikel 11 und Artikel 12 der Medical Devices Directive (MDD) 93/42/EEC erhalten. Artikel 11 bedeutet hierbei, dass eine einzelne Komponente dem Konformitätsbewertungsverfahren entspricht, also z. B. das Handset. Im Klartext bedeutet dies, dass der Hersteller berechtigt ist, nur dieses Handset alleine auf den Markt zu bringen oder er könnte dasselbe Handset in ein AID-System eines anderen Unternehmens integrieren, denn er hat dafür das CE-Kennzeichen.
Für das Gesamtsystem gilt der Artikel 12 der MDD. Dieser beschreibt ein Sonderverfahren für Systeme und Behandlungseinheiten, das aus mehreren Komponenten besteht, für die bereits einzeln eine CE-Zertifizierung vorliegt. Üblicherweise gilt dies für Komponenten unterschiedlicher Hersteller und evtl. unterschiedlicher Benannter Stellen. Derjenige, der als Zusammensteller des Systems gilt, trägt die regulatorische Verantwortung, in diesem konstruierten Fall wäre das also Diabeloop. Als Hersteller ist Diabeloop dann dafür verantwortlich, dass die einzelnen Komponenten des Gesamtsystems intern geeignet zusammenarbeiten, gleichzeitig jedoch auch nach außen hin bei Fehlermeldungen, Problemen oder sonstigen regulatorischen Anfragen. Falls andere Kombinationen von Interesse sind, z.B. wenn weitere Komponenten angeschlossen werden sollen, dann gilt es weitere Konformitätsbewertungsverfahren mit eigenständigen CE-Markierungen durchzuführen. Solange für die einzelnen Komponenten ein eigenständiges CE-Kennzeichen (nach Artikel 11) vorliegt, ist es ein regulatorischer Prozess, der in Artikel 12 beschrieben ist.
Eigentlich sollte die neue Medical Device Regulation (MDR) inzwischen „scharf“ geschaltet sein. Wegen der Corona-Krise ist dieses Datum aber um 1 Jahr verschoben worden. Auch wenn diese „Regulation“ gilt, was regulativ betrachtet etwas Stärkeres ist als eine „Directive“, wird der große Aufwand weiterhin sein, die Kompatibilität der einzelnen Komponenten technisch sicherzustellen und zu dokumentieren.
Während man AID-Systeme in einem gewissen Sinne schon fast als „etablierte“ Medizinprodukte betrachten kann, denn hier sind ja schon die ersten Produkte auf dem Markt bzw. sind angekündigt und kommen perspektivisch, stellt die „virtuelle Diabetes-Betreuung“ noch einen neuartigen Ansatz dar. Hierbei sollen auch verschiedene Medizinprodukte so kombiniert werden, dass die Patienten mit Diabetes in der Zeit zwischen den Arztvisiten optimal in dem Umgang mit ihrer Erkrankung umgehen können. Von einem CGM-System werden die Glucosewerte an einen Server in der Cloud transferiert, dort werden die Daten des individuellen Patienten mit seinen schon dort gespeicherten Daten abgeglichen sowie auch mit den Daten diverser anderer Patienten. In Abstimmung mit Vorgaben aus den Leitlinien bekommt der Patient konkrete Handlungsanweisungen zu seiner Therapie, möglicherweise kann sogar sein smarter Insulinpen auch direkt entsprechend eingestellt werden. Bei solchen Berechnungen werden Informationen aus anderen Datenquellen mit Berücksichtigt, z. B. von Fitnessbändern zum Bewegungsverhalten. Durch die virtuelle Diabetes-Betreuung könnte eine Vielzahl von Patienten mit Typ-2-Diabetes vielleicht besser betreut werden, als dies heute möglich ist – Daten von ersten klinischen Studien deuten daraufhin. Aber auch hier stellt sich die Frage, wer ist eigentlich im regulatorischen Sinne für das Gesamtsystem verantwortlich? Wenn ein Patient mit Diabetes durch eine tatsächliche oder vermeintliche Fehlfunktion des Systems einen Schaden erleidet, wer haftet dann dafür?
Unser Fazit: Auch wenn es zuerst vielleicht nach einer langweiligen Fragestellung klingt, ist es für den praktischen Einsatz von solchen Zukunftsprodukten von entscheidender Bedeutung, solche regulatorischen Fragen eindeutig zu klären. Andernfalls werden sie schlicht nicht eingesetzt werden, zumindest nicht in Deutschland oder Europa.
DiaTec weekly – Jun 26, 20
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