Die Gematik GmbH, einst von den Spitzenverbänden des deutschen Gesundheitswesens gegründet für die Entwicklung der elektronischen Gesundheitskarte und seitdem jahrelang auf Schleichfahrt, kommt endlich in Schwung und das liegt an zwei Faktoren:
- das Bundesministerium für Gesundheit hält inzwischen 51% der Anteile und gibt damit den Takt vor,
- Seit dem 1. Juli 2019 ist Dr. Markus Leyck-Dieken alleiniger Geschäftsführer.
Leyck-Dieken, smart, eloquent, schnell denkend und redend ist vielen in der Diabetologie noch als langjähriger Geschäftsführer von Novo Nordisk wohlbekannt. Er kennt das Gesundheitswesen von der Pike auf und hat in den verschiedensten Strukturen gearbeitet: Von Haus aus Internist war er als junger Arzt sieben Jahre in der Klinik in der Patientenversorgung tätig und ist nebenbei Notarzt gefahren, war anschließend viele Jahre in verschiedenen Unternehmen tätig und kennt sich aus mit Change-Management Prozessen. Er war einer der Diskutanten beim Thüringer Kamingespräch und hatte den aktuellen Fahrplan für die Einführung der elektronischen Patientenakte dabei.
Hier seine Antwort auf die Frage, wann mit einer einsatzfähigen ePA zu rechnen ist:
„Das größte Problem für uns ist jetzt die Zeit! Wenn man bei einer Aufholjagd plötzlich in den Sprint gehen muss, wird es schwierig, ans Ziel zu kommen. Unsere wichtigsten Partner sind deshalb die Ärzte bzw. andere Heilberufler, denn wenn von dort die ePA empfohlen wird, werden auch die Patienten folgen. Wir führen aktuell viele Gespräche mit den Fachgesellschaften dazu und versuchen dort, Überzeugungsarbeit zu leisten.“
Zur Problematik mit den Softwarehäusern will die Gematik nun User-Experience-Konferenzen durchführen, um weg von der klassischen Margen-Optimierung hin zum User-Experience-Ranking zu kommen und damit Druck auf die Softwarehäuser auszuüben.
Dies sind die wichtigsten Details zur ePA:
- Zukünftig wird es im Heilwesen nur noch einen gültigen Übertragungsweg für sämtliche Daten geben, die komplett „End-to-End“ verschlüsselt werden müssen mit einem 50-stelligen Zahlencode, so dass nur noch der Sender und der Empfänger die Daten lesen können (geplante Einführung ab dem 30.06.2020).
- Jeder Patient hat dann einen gesetzlichen Anspruch darauf, dass der Arzt seine Notfalldaten auf der Karte ablegt, damit die unmittelbare Notfallversorgung effektiver wird:
- Dabei ist kein fester Katalog vorgeschrieben, sondern der Arzt entscheidet gemeinsam mit dem Patienten, welche Daten auf die Karte abgelegt werden.
- Dazu gehört auch der Hinweis auf eine Patientenverfügung und wo diese liegt
- Die Notfalldaten dürfen auch ohne Zustimmung des Patienten, z.B. wenn dieser im Koma liegt, ausgelesen werden
- Jede ePA enthält außerdem einen elektronischen Medikationsplan:
- mit allen verschreibungspflichtigen Medikamenten inklusive OTC-Produkten, weil z.B. auch das frei verkäufliche Iberogast Leberschäden verursachen kann,
- permanente UpDates sollen möglich werden durch Nutzung desselben Scanners in der Apotheke wie bei Auslesen des Rezepts
- E-Rezept – Dazu will die Gematik bis zum 30.06.2020 die Veröffentlichung abgeschlossen haben. Ab 2021 soll es dann das elektronische Rezept geben.
Die Gematik plant, für das e-Rezept eine eigene App zu entwickeln, die es dem Patienten ermöglichen soll, das e-Rezept entweder direkt in seiner Stammapotheke einzulösen – oder es digital zu einer Versandapotheke zu schicken – oder auch, um mittels Smartphone herauszufinden, welche Apotheke in seiner Umgebung das Medikament vorrätig hält.
Ab dem 1.1.2021 muss die ePA allen Bürgern angeboten werden, auch wenn man aktuell davon ausgeht, dass sich in der ersten Welle etwa < 10 Mio. Patienten dafür entscheiden.
Auch das Design der ePA wird sich verändern, damit Patienten wissen, dass es eine neue Karte gibt. Außerdem bekommt jede Karte eine PIN-Nummer plus ein NFC (Nearfield Communication), um ein Auslesen auch durch Annäherung an das Lesegerät zu ermöglichen.
Unser Fazit: Es wird zukünftig nicht mehr um die Aufrechterhaltung von Kurfürstentümern gehen, weder auf Kassen- noch auf KV-Ebene und auch nicht auf Ebene der Software-Häuser. Aktuell bietet die PVS-Software fast immer noch das klassische 1972-Telekom-Erlebnis an – umständlich, kompliziert und keinen Deut mehr als die unbedingt notwendigen Spezifikationen.
DiaTec weekly – Feb 14, 20